DIE HEILSBOTSCHAFT NACH MATTHÄUS

9. Die Ölbergrede Jesu an seine Jünger von der Zerstörung des Tempels, vom Ende dieser Weltzeit, von seiner Wiederkunft und vom Gericht über die Völker (Kap. 24-25)

a) Einleitung: Anlaß der Rede (mit Ankündigung der Zerstörung des Tempels)

24
1Jesus verließ dann den Tempel und wollte weitergehen; da traten seine Jünger zu ihm heran, um ihn auf den Prachtbau des Tempels aufmerksam zu machen.
2Er aber antwortete ihnen mit den Worten: »Ja, jetzt seht ihr dies alles noch. Wahrlich ich sage euch: Es wird hier kein Stein auf dem andern bleiben, der nicht niedergerissen wird!«
3Als er sich dann auf dem Ölberg niedergesetzt hatte, traten die Jünger, als sie für sich allein waren, an ihn mit der Bitte heran: »Sage uns doch: wann wird dies geschehen? Und welches ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung der Weltzeit?«

b) Das Ende dieser Weltzeit

aa) Die ersten Vorzeichen

4Jesus antwortete ihnen: »Sehet euch vor, daß niemand euch irreführe!
5Denn viele werden unter meinem Namen kommen und behaupten: ›Ich bin der (wiederkehrende) Christus‹, und werden viele irreführen.
6Ihr werdet ferner von Kriegen und Kriegsgerüchten hören: gebt acht, laßt euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muß so kommen, ist aber noch nicht das Ende.
7Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere; auch Hungersnöte werden eintreten und Erdbeben hier und da stattfinden;
8dies alles ist aber erst der Anfang der Wehen

bb) Die Jüngerverfolgungen

9»Hierauf wird man schwere Drangsale über euch bringen und euch töten, und ihr werdet allen Völkern um meines Namens willen verhaßt sein.
10Alsdann werden viele Anstoß nehmen und sich einander ausliefern und einander hassen.
11Auch falsche Propheten werden in großer Zahl auftreten und viele irreführen;
12und weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe in den meisten erkalten;
13wer jedoch bis ans Ende ausharrt, der wird gerettet werden.
14Und diese Heilsbotschaft vom Reich wird auf dem ganzen Erdkreis allen Völkern zum Zeugnis gepredigt werden, und dann wird das Ende kommen.«

cc) Der Höhepunkt der Drangsal in Judäa

15»Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, der vom Propheten Daniel angesagt worden ist, an heiliger Stätte stehen seht – der Leser merke auf! –,
16dann sollen die (Gläubigen), die in Judäa sind, ins Gebirge fliehen!
17Wer sich alsdann auf dem Dache befindet, steige nicht erst noch hinab (ins Haus), um seine Habseligkeiten aus dem Hause zu holen;
18und wer auf dem Felde weilt, kehre nicht zurück, um sich noch seinen Mantel zu holen.
19Wehe aber den Frauen, die guter Hoffnung sind, und denen, die ein Kind in jenen Tagen zu nähren haben!
20Betet nur, daß eure Flucht nicht in den Winter oder auf den Sabbat falle!
21Denn es wird alsdann eine schlimme Drangsalszeit eintreten, wie noch keine seit Anfang der Welt bis jetzt dagewesen ist und wie auch keine wieder kommen wird;
22und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.«

dd) Weissagung der falschen Propheten

23»Wenn dann jemand zu euch sagt: ›Seht, hier ist Christus!‹ oder: ›Dort (ist er)!‹, so glaubt es nicht!
24Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten auftreten und werden große Zeichen und Wunder verrichten, um womöglich auch die Auserwählten irrezuführen.
25Seht, ich habe es euch vorhergesagt. Wenn man also zu euch sagt:
26›Seht, er ist in der Wüste!‹, so geht nicht hinaus; und (sagt man:) ›Seht, er ist in den Gemächern (dieses oder jenes Hauses)!‹, so glaubt es nicht!
27Denn wie der Blitz vom Osten ausgeht und bis zum Westen leuchtet, so wird es auch mit der Ankunft des Menschensohnes sein;
28denn wo das Aas liegt, da sammeln sich die Geier.«

c) Die letzten Vorzeichen und die Wiederkunft des Menschensohnes mit ihren Begleiterscheinungen

29»Sogleich aber nach jener Drangsalszeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels in Erschütterung geraten.
30Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden alle Geschlechter der Erde wehklagen und werden den Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen.
31Und er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden seine Auserwählten von den vier Windrichtungen her versammeln, von dem einen Himmelsende bis zum andern.

32Vom Feigenbaum aber mögt ihr das Gleichnis lernen: Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter hervorwachsen, so erkennt ihr daran, daß der Sommer nahe ist.
33So auch ihr: wenn ihr dies alles seht, so erkennet daran, daß es nahe vor der Tür steht.
34Wahrlich ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.
35Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nimmermehr vergehen.
36Von jenem Tage aber und von jener Stunde hat niemand Kenntnis, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern ganz allein der Vater.
37Denn wie es einst mit den Tagen Noahs gewesen ist, so wird es auch mit der Wiederkunft des Menschensohnes sein.
38Denn wie sie es in den Tagen vor der Sintflut gehalten haben: sie aßen und tranken, sie heirateten und verheirateten (ihre Töchter) bis zu dem Tage, als Noah in die Arche ging,
39und wie sie nichts merkten, bis die Sintflut kam und alle hinwegraffte, ebenso wird es auch mit der Zeit der Ankunft des Menschensohnes der Fall sein.
40Da werden zwei (Männer zusammen) auf dem Felde sein: der eine wird angenommen, der andere zurückgelassen;
41zwei (Frauen) werden (zusammen) an der Handmühle mahlen: die eine wird angenommen, die andere zurückgelassen.«

d) Schlußermahnung an die Jünger zur Wachsamkeit und zur Bereitschaft auf das Gericht

aa) Mahnung zur Wachsamkeit im allgemeinen

42»Seid also wachsam, denn ihr wißt nicht, an welchem Tage der Herr kommt.
43Das aber seht ihr ein: Wenn der Hausherr wüßte, in welcher Stunde der Nacht der Dieb kommt, so würde er wach bleiben und keinen Einbruch in sein Haus zulassen.
44Deshalb haltet auch ihr euch bereit; denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, wo ihr es nicht vermutet.«

bb) Gleichnis vom treuen und vom untreuen Knecht

45»Wer ist demnach der treue und kluge Knecht, den sein Herr über seine Dienerschaft gesetzt hat, damit er ihnen die Speise zu rechter Zeit gebe?
46Selig ist ein solcher Knecht (zu preisen), den sein Herr bei seiner Rückkehr in solcher Tätigkeit antrifft.
47Wahrlich ich sage euch: Er wird ihn über seine sämtlichen Güter setzen.
48Wenn aber ein solcher Knecht schlecht ist und in seinem Herzen denkt: ›Mein Herr kommt noch lange nicht!‹,
49und wenn er seine Mitknechte zu schlagen beginnt und mit den Trunkenen ißt und trinkt,
50so wird der Herr eines solchen Knechts an einem Tage kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt,
51und er wird ihn zerhauen lassen und ihm seinen Platz bei den Heuchlern anweisen: dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein.«

cc) Das Gleichnis von den zehn (klugen und törichten) Jungfrauen

25
1»Alsdann wird das Himmelreich zehn Jungfrauen gleichen, die sich mit ihren Lampen in der Hand zur Einholung des Bräutigams aufmachten.
2Fünf von ihnen waren töricht und fünf klug;
3denn die törichten nahmen wohl ihre Lampen, nahmen aber kein Öl mit;
4die klugen dagegen nahmen außer ihren Lampen auch noch Öl in den Gefäßen mit sich.
5Als nun der Bräutigam auf sich warten ließ, wurden sie alle müde und schliefen ein.
6Um Mitternacht aber erscholl ein Geschrei: ›Der Bräutigam ist da! Macht euch auf, ihn zu empfangen!‹
7Da erhoben sich jene Jungfrauen alle vom Schlaf und brachten ihre Lampen in Ordnung;
8die törichten aber sagten zu den klugen: ›Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen wollen ausgehen!‹
9Da antworteten die klugen: ›Nein, es würde für uns und euch nicht reichen; geht lieber zu den Krämern und kauft euch welches!‹
10Während sie nun hingingen, um Öl einzukaufen, kam der Bräutigam, und die Jungfrauen, welche in Bereitschaft waren, gingen mit ihm zum Hochzeitsmahl hinein, und die Tür wurde verschlossen.
11Später kamen dann auch noch die übrigen Jungfrauen und riefen: ›Herr, Herr, öffne uns doch!‹
12Er aber gab ihnen zur Antwort: ›Wahrlich ich sage euch: Ich kenne euch nicht!‹
13Darum seid wachsam, denn Tag und Stunde sind euch unbekannt.«

dd) Gleichnis von den anvertrauten Geldern (Talenten)

14»Es wird so sein wie bei einem Manne, der vor Antritt einer Reise ins Ausland seine Knechte rief und ihnen sein Vermögen (zur Verwaltung) übergab;
15dem einen gab er fünf Talente, dem andern zwei, dem dritten eins, einem jeden nach seiner Tüchtigkeit; dann reiste er ab.
16Da ging der, welcher die fünf Talente empfangen hatte, sogleich ans Werk, machte Geschäfte mit dem Geld und gewann andere fünf Talente;
17ebenso gewann der, welcher die zwei Talente (empfangen hatte), zwei andere dazu.
18Der (Knecht) aber, welcher das eine Talent erhalten hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg darin das Geld seines Herrn.
19Nach längerer Zeit kam der Herr dieser Knechte zurück und rechnete mit ihnen ab.
20Da trat der herzu, welcher die fünf Talente empfangen hatte, brachte noch fünf andere Talente mit und sagte: ›Herr, fünf Talente hast du mir übergeben; hier sind noch andere fünf Talente, die ich dazugewonnen habe.‹
21Da sagte sein Herr zu ihm: ›Schön, du guter und treuer Knecht! Du bist über Wenigem treu gewesen, ich will dich über Vieles setzen: gehe ein zum Freudenmahl deines Herrn!‹
22Dann kam auch der (Knecht) herbei, der die zwei Talente (empfangen hatte), und sagte: ›Herr, zwei Talente hast du mir übergeben; hier sind noch zwei andere Talente, die ich dazugewonnen habe.‹
23Da sagte sein Herr zu ihm: ›Schön, du guter und treuer Knecht! Du bist über Wenigem treu gewesen, ich will dich über Vieles setzen: gehe ein zum Freudenmahl deines Herrn!‹

24Da trat auch der herzu, welcher das eine Talent empfangen hatte, und sagte: ›Herr, ich wußte von dir, daß du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast.
25Da bin ich aus Furcht hingegangen und habe dein Talent in der Erde verborgen: hier hast du dein Geld wieder!‹
26Da antwortete ihm sein Herr: ›Du böser und träger Knecht! Du wußtest, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe?
27Nun, so hättest du mein Geld bei den Bankhaltern anlegen sollen; dann hätte ich bei meiner Rückkehr mein Geld mit Zinsen zurückerhalten.
28So nehmt ihm nun das Talent ab und gebt es dem, der die zehn Talente hat.
29Denn jedem, der da hat, wird noch hinzugegeben werden, so daß er Überfluß hat; wer aber nicht hat, dem wird auch noch das genommen werden, was er hat.
30Den unnützen Knecht jedoch werft hinaus in die Finsternis draußen! Dort wird lautes Weinen und Zähneknirschen sein.«

e) Jesu Gericht über die Völker und über die einzelnen Menschen; die Scheidung der Schafe von den Böcken

31»Wenn aber der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen;
32alle Völker werden alsdann vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet;
33und er wird die Schafe zu seiner Rechten, die Böcke aber zu seiner Linken stellen.
34Dann wird der König zu denen auf seiner rechten Seite sagen: ›Kommt her, ihr von meinem Vater Gesegneten! Empfangt als euer Erbe das Königtum, das für euch seit Grundlegung der Welt bereitgehalten ist.
35Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gereicht; ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt;
36ich bin ohne Kleidung gewesen, und ihr habt mich gekleidet; ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht; ich habe im Gefängnis gelegen, und ihr seid zu mir gekommen.‹

37Dann werden ihm die Gerechten antworten: ›Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeist? Oder durstig und haben dir zu trinken gereicht?
38Wann haben wir dich als Fremdling gesehen und haben dich beherbergt? Oder ohne Kleidung und haben dich bekleidet?
39Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?‹
40Dann wird der König ihnen antworten: ›Wahrlich ich sage euch: Alles, was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.‹

41Alsdann wird er auch zu denen auf seiner linken Seite sagen: ›Hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist!
42Denn ich bin hungrig gewesen, aber ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich bin durstig gewesen, aber ihr habt mir nichts zu trinken gereicht;
43ich bin ein Fremdling gewesen, aber ihr habt mich nicht beherbergt; ohne Kleidung, aber ihr habt mich nicht bekleidet; krank und im Gefängnis (habe ich gelegen), aber ihr habt mich nicht besucht.‹
44Dann werden auch diese antworten: ›Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig, als einen Fremdling oder ohne Kleidung, wann krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht gedient?‹
45Dann wird er ihnen zur Antwort geben: ›Wahrlich ich sage euch: Alles, was ihr einem von diesen Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.‹
46Und diese werden in die ewige Strafe gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.«

VIII. Die Leidensgeschichte und der Tod Jesu (Kap. 26-27)