DIE HEILSBOTSCHAFT NACH LUKAS

Vorwort

1
1Weil bekanntlich schon viele es unternommen haben, einen Bericht über die Begebenheiten, die sich unter uns erfüllt haben, so abzufassen,
2wie die Männer sie uns überliefert haben, die von Anbeginn an Augenzeugen und (alsdann) Diener des Wortes gewesen sind,
3habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allen Tatsachen von den Anfängen an sorgfältig nachgegangen bin, alles für dich, hochedler Theophilus, in richtiger Reihenfolge aufzuzeichnen,
4damit du dich von der Zuverlässigkeit der Nachrichten, in denen du unterwiesen worden bist, überzeugen kannst.

I. Die Vorgeschichte (1,5-2,52)

1. Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers

5Es lebte zur Zeit des jüdischen Königs Herodes ein Priester namens Zacharias aus der Priesterabteilung Abia; der hatte eine Frau aus der Zahl der Töchter Aarons, die Elisabeth hieß.
6Sie waren beide gerecht vor Gott und wandelten in allen Geboten und Satzungen des Herrn ohne Tadel.
7Sie hatten jedoch kein Kind, weil der Elisabeth Mutterfreuden versagt waren, und beide standen schon in vorgerücktem Alter.

8Da begab es sich einst, als er nach der Ordnung seiner Abteilung den Priesterdienst vor Gott zu verrichten hatte,
9daß er nach dem Brauch der Priesterschaft durch das Los dazu bestimmt wurde, in den Tempel des Herrn zu gehen und dort das Rauchopfer darzubringen,
10während die ganze Volksmenge draußen zur Stunde des Rauchopfers dem Gebet oblag.
11Da erschien ihm ein Engel des Herrn, der stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars.
12Bei seinem Anblick erschrak Zacharias, und Furcht befiel ihn;
13der Engel aber sagte zu ihm: »Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet hat Erhörung gefunden, und deine Frau Elisabeth wird dir Mutter eines Sohnes werden, dem du den Namen Johannes geben sollst.
14Du wirst Freude und Jubel darüber empfinden, und viele werden sich über seine Geburt freuen,
15denn er wird groß vor dem Herrn sein; Wein und (andere) berauschende Getränke wird er nicht genießen, und mit heiligem Geist wird er schon von Geburt an erfüllt werden.
16Viele von den Söhnen Israels wird er zum Herrn, ihrem Gott, zurückführen;
17und er ist es, der vor ihm einhergehen wird im Geist und in der Kraft des Elia, um die Herzen der Väter den Kindern wieder zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten (zu führen), um dem Herrn ein wohlbereitetes Volk zu schaffen.«
18Da sagte Zacharias zu dem Engel: »Wie soll ich das für möglich halten? Ich selbst bin ja ein alter Mann, und meine Frau ist auch schon betagt.«
19Da antwortete ihm der Engel: »Ich bin Gabriel, der (als Diener) vor Gottes Angesicht steht, und bin gesandt, um zu dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu verkündigen.
20Doch nun vernimm: Du wirst stumm sein und nicht reden können bis zu dem Tage, an dem diese meine Verheißung sich erfüllt, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen werden.«

21Das Volk wartete unterdessen auf Zacharias und wunderte sich darüber, daß er so lange im Tempel verweilte.
22Als er endlich heraustrat, konnte er nicht zu ihnen reden; da merkten sie, daß er eine Erscheinung im Tempel gesehen hatte; und er seinerseits suchte sich ihnen durch Kopfnicken verständlich zu machen, blieb aber stumm.
23Als dann die (sieben) Tage seines Priesterdienstes zu Ende waren, kehrte er heim in sein Haus.

24Nach diesen Tagen aber wurde seine Frau Elisabeth guter Hoffnung; sie hielt sich fünf Monate lang in tiefer Zurückgezogenheit und dachte:
25»So hat der Herr an mir getan in der Zeit, die er dazu ersehen hat, meine Schmach bei den Menschen von mir hinwegzunehmen.«

2. Ankündigung der Geburt Jesu

26Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott nach Galiläa in eine Stadt namens Nazareth gesandt
27zu einer Jungfrau, die mit einem Manne namens Joseph aus dem Hause Davids verlobt war; die Jungfrau hieß Maria.
28Als nun der Engel bei ihr eintrat, sagte er: »Sei gegrüßt, du Begnadete: der Herr ist mit dir!«
29Sie wurde über diese Anrede bestürzt und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30Da sagte der Engel zu ihr: »Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden!
31Wisse wohl: du wirst guter Hoffnung werden und Mutter eines Sohnes, dem du den Namen Jesus geben sollst.
32Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33und er wird als König über das Haus Jakobs in alle Ewigkeit herrschen, und sein Königtum wird kein Ende haben.«

34Da sagte Maria zu dem Engel: »Wie soll das möglich sein? Ich weiß doch von keinem Manne.«
35Da gab der Engel ihr zur Antwort: »Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten dich überschatten; daher wird auch das Heilige, das (von dir) geboren werden soll, Gottes Sohn genannt werden.
36Und nun vernimm: Elisabeth, deine Verwandte, ist ebenfalls trotz ihres hohen Alters mit einem Sohn gesegnet und steht jetzt schon im sechsten Monat, sie, die man unfruchtbar nennt;
37denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.«
38Da sagte Maria: »Siehe, ich bin des Herrn Magd: mir geschehe nach deinem Wort!« Damit schied der Engel von ihr.

3. Besuch der Maria bei Elisabeth

a) Die Begegnung der beiden Mütter; Elisabeths Begrüßung

39Maria aber machte sich in jenen Tagen auf und wanderte eilends in das Bergland nach einer Stadt (im Stamme) Juda;
40dort trat sie in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.
41Da begab es sich, als Elisabeth den Gruß der Maria vernahm, da bewegte sich das Kind lebhaft in ihrem Leibe; und Elisabeth wurde mit heiligem Geist erfüllt
42und brach mit lauter Stimme in die Worte aus: »Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!
43Doch woher wird mir die Ehre zuteil, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44Denn wisse: als der Klang deines Grußes mir ins Ohr drang, bewegte sich das Kind vor Freude lebhaft in meinem Leibe.
45O selig die, welche geglaubt hat, denn die Verheißung, die der Herr ihr gegeben hat, wird in Erfüllung gehen!«

b) Lobgesang der Maria (das sogenannte ›Magnifikat‹)

46Darauf sprach Maria:
»Meine Seele erhebt den Herrn,
47und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter,
48weil er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen hat!
Denn siehe: von nun an werden alle Geschlechter mich selig preisen,
49weil der Allmächtige Großes an mir getan hat.
Ja, heilig ist sein Name,
50und sein Erbarmen wird von Geschlecht zu Geschlecht
denen zuteil, die ihn fürchten.
51Er wirkt seine Kraft aus mit seinem Arm,
er zerstreut, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn
52er stürzt Machthaber von den Thronen
und erhöht Niedrige;
53Hungrige sättigt er mit Gütern
und läßt Reiche leer ausgehen.
54Er hat sich Israels angenommen, seines Knechts,
um der Barmherzigkeit zu gedenken,
55wie er es unsern Vätern verheißen hat,
dem Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.«
56Maria blieb dann etwa drei Monate bei Elisabeth und kehrte hierauf in ihr Haus zurück.

4. Geburt, Beschneidung und Jugend des Johannes; Lobgesang des Zacharias

57Für Elisabeth aber erfüllte sich die Zeit ihrer Niederkunft, und sie wurde Mutter eines Sohnes.
58Als nun ihre Nachbarn und Verwandten hörten, daß der Herr ihr so große Barmherzigkeit erwiesen hatte, freuten sie sich mit ihr.
59Am achten Tage kamen sie zur Beschneidung des Knäbleins und wollten es mit dem Namen seines Vaters Zacharias benennen;
60doch seine Mutter sagte abwehrend: »Nein, er soll Johannes heißen!«
61Sie entgegneten ihr: »In deiner Verwandtschaft gibt es doch keinen, der diesen Namen führt.«
62Sie winkten nun seinem Vater die Frage zu, wie er ihn benannt haben wolle.
63Der forderte ein Täfelchen und schrieb die Worte darauf: »Johannes ist sein Name!«, und alle verwunderten sich darüber.
64In demselben Augenblick aber wurde ihm der Mund aufgetan, und das Band seiner Zunge (löste sich): er konnte wieder reden und pries Gott.
65Da kam Furcht über alle, die in ihrer Nachbarschaft wohnten, und im ganzen Bergland von Judäa wurden alle diese Begebenheiten viel besprochen,
66und alle, die von ihnen hörten, nahmen sie sich zu Herzen und sagten: »Was wird wohl aus diesem Kinde werden?« Denn auch die Hand des Herrn war mit ihm.

Prophetisches Loblied des Zacharias (das sogenannte ›Benediktus‹)

67Und sein Vater Zacharias wurde mit heiligem Geist erfüllt und sprach die prophetischen Worte aus:
68»Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels!,
Denn er hat sein Volk gnädig angesehen und ihm eine Erlösung geschaffen
69und hat uns ein Horn des Heils aufgerichtet
im Hause Davids, seines Knechtes.
70So hat er es durch den Mund seiner heiligen Propheten von alters her verheißen:
71retten will er uns von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen,
72um unsern Vätern Barmherzigkeit zu erweisen
und seines heiligen Bundes zu gedenken,
73des Eides, den er unserm Vater Abraham geschworen hat,
er wolle uns erretten aus der Hand unserer Feinde
74und uns verleihen, daß wir ihm furchtlos dienen
75in Heiligkeit und Gerechtigkeit
vor seinen Augen alle Tage unsers Lebens.
76Aber auch du, Knäblein, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden;
denn du wirst vor dem Herrn einhergehen, ihm die Wege zu bereiten,
77um seinem Volke die Erkenntnis des Heils zu verschaffen,
die ihnen durch Vergebung ihrer Sünden zuteil werden wird.
78So will es das herzliche Erbarmen unsers Gottes,
mit dem uns der Aufgang aus der Höhe erschienen ist,
79um denen Licht zu spenden, die in Finsternis und Todesschatten sitzen,
und unsere Füße auf den Weg des Friedens zu leiten.« –
80Das Knäblein aber wuchs heran und wurde stark am Geist und hielt sich in der Einöde auf bis zum Tage seines öffentlichen Auftretens vor Israel.

5. Geburt Jesu in Bethlehem

a) Der Erlaß des Kaisers Augustus und seine Bedeutung für die Geburt Jesu

2
1Es begab sich aber in jenen Tagen, daß eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, es solle eine Volkszählung im ganzen römischen Reich vorgenommen werden.
2Es war dies die erste Zählung, die zu der Zeit stattfand, als Quirinius Statthalter in Syrien war.
3Da machten alle sich auf, um sich in die Listen eintragen zu lassen, ein jeder in seinem (Heimats-) Ort.
4So zog denn auch Joseph von Galiläa aus der Stadt Nazareth nach Judäa hinauf nach der Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus Davids Hause und Geschlecht stammte,
5um sich daselbst mit Maria, seiner jungen Ehefrau, die guter Hoffnung war, einschätzen zu lassen.
6Während ihres dortigen Aufenthalts kam aber für Maria die Stunde ihrer Niederkunft,
7und sie gebar ihren ersten Sohn, den sie in Windeln wickelte und in eine Krippe legte, weil es sonst keinen Platz in der Herberge für sie gab.

b) Die Hirten auf dem Felde und die Engelerscheinung

8Nun waren Hirten in derselben Gegend auf freiem Felde und hielten in jener Nacht Wache bei ihrer Herde.
9Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie, und sie gerieten in große Furcht.
10Der Engel aber sagte zu ihnen: »Fürchtet euch nicht! Denn wisset wohl: ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volke widerfahren wird;
11denn euch ist heute ein Retter geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
12Und dies sei das Erkennungszeichen für euch: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden, das in Windeln gewickelt ist und in einer Krippe liegt.«
13Und plötzlich war bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die Gott priesen mit den Worten:
14»Ehre sei Gott in Himmelshöhen und Friede auf Erden in den Menschen des (göttlichen) Wohlgefallens!«

c) Die Hirten bei dem Jesuskind in Bethlehem

15Als hierauf die Engel von ihnen weg in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Männer, die Hirten, zueinander: »Wir wollen doch bis Bethlehem hinübergehen und uns die Sache ansehen, die sich dort begeben hat und die der Herr uns hat verkünden lassen!«
16So gingen sie denn eilends hin und fanden Maria und Joseph, dazu das Kind, das in der Krippe lag.
17Als sie es gesehen hatten, teilten sie ihnen die Verkündigung mit, die sie über dieses Kind vernommen hatten;
18und alle, die es hörten, verwunderten sich über den Bericht der Hirten.
19Maria aber bewahrte alle diese Mitteilungen im Gedächtnis und bedachte sie in ihrem Herzen.
20Die Hirten aber kehrten wieder zurück; sie priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten genau so, wie es ihnen (von den Engeln) verkündigt worden war.

6. Jesu Beschneidung und Darstellung im Tempel

21Als dann acht Tage vergangen waren, so daß man das Kind beschneiden mußte, gab man ihm den Namen Jesus, der schon vor seiner Empfängnis von dem Engel angegeben worden war.

22Als dann die (vierzig) nach dem mosaischen Gesetz für ihre Reinigung vorgeschriebenen Tage zu Ende waren, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen –
23wie im Gesetz des Herrn geschrieben steht: »Jedes erstgeborene männliche Kind, das zur Welt kommt, soll als dem Herrn geheiligt gelten« –;
24zugleich wollten sie das Opfer nach der Vorschrift im Gesetz des Herrn darbringen, nämlich ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.

7. Des greisen Simeon Begrüßung, Lobgesang und Prophezeiung

25Und siehe, da lebte ein Mann in Jerusalem namens Simeon; dieser Mann war gerecht und gottesfürchtig; er wartete auf die Tröstung Israels, und heiliger Geist war auf ihm.
26Vom heiligen Geist war ihm auch geoffenbart worden, er solle den Tod nicht eher sehen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen hätte.
27So kam er denn damals, vom Geist getrieben, in den Tempel; und als die Eltern das Jesuskind hineinbrachten, um nach dem Brauch des Gesetzes mit ihm zu verfahren,
28da nahm auch er es in seine Arme und pries Gott mit den Worten:
29»Herr, nun entläßt du deinen Knecht,
wie du ihm verheißen hast, im Frieden;
30denn meine Augen haben dein Heil gesehen,
31das du vor den Augen aller Völker bereitet hast,
32ein Licht zur Erleuchtung der Heiden
und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.«
33Die beiden Eltern Jesu verwunderten sich über das, was da über das Kind gesagt wurde.
34Simeon aber segnete sie und sagte zu Maria, seiner Mutter: »Wisse wohl: dieser ist vielen zum Fallen und (vielen) zum Aufstehen in Israel bestimmt und zu einem Zeichen, das Widerspruch erfährt –
35und auch dir selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen –, auf daß aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.«

8. Begrüßung des Kindes durch die greise Hanna; Rückkehr der heiligen Familie nach Nazareth

36Es war da auch eine Prophetin Hanna, eine Tochter Phanuels aus dem Stamme Asser, die war hochbetagt; nur sieben Jahre hatte sie nach ihrer Mädchenzeit mit ihrem Manne gelebt
37und war dann Witwe geblieben bis (zum Alter von) vierundachtzig Jahren. Sie verließ den Tempel nicht und diente Gott mit Fasten und Beten bei Tag und bei Nacht.
38Diese trat auch in eben dieser Stunde hinzu, pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

39Nachdem sie dann alles nach den Vorschriften im Gesetz des Herrn erfüllt hatten, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth zurück.
40Der Knabe aber wuchs heran und wurde kräftig und mit Weisheit erfüllt, und die Gnade Gottes war über ihm.

9. Der zwölfjährige Jesusknabe im Tempel

41Seine Eltern pflegten aber alle Jahre zum Passahfest nach Jerusalem zu wandern.
42Als er nun zwölf Jahre alt geworden war und sie wie gewöhnlich zur Festzeit hinaufgezogen waren,
43blieb, als sie die Festtage dort zugebracht hatten und sie sich auf den Heimweg machten, der Knabe Jesus in Jerusalem zurück, ohne daß seine Eltern es bemerkten.
44In der Meinung, er befinde sich unter der Reisegesellschaft, gingen sie eine Tagereise weit und suchten ihn bei den Verwandten und Bekannten;
45als sie ihn aber dort nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort.
46Nach drei Tagen endlich fanden sie ihn, wie er im Tempel mitten unter den Lehrern saß und ihnen zuhörte und auch Fragen an sie richtete;
47und alle, die ihn hörten, staunten über sein Verständnis und seine Antworten.
48Als sie ihn dort erblickten, wurden sie betroffen, und seine Mutter sagte zu ihm: »Kind, warum hast du uns das angetan? Bedenke doch: dein Vater und ich suchen dich mit Angst!«
49Da antwortete er ihnen: »Wie habt ihr mich nur suchen können? Wußtet ihr nicht, daß ich im Hause meines Vaters sein muß?«
50Sie verstanden aber das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte. –
51Er kehrte dann mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen untertan, und seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.
52Jesus aber nahm an Weisheit, Körpergröße und Gnade bei Gott und den Menschen zu.

II. Einleitung zur öffentlichen Wirksamkeit Jesu (3,1-4,13)

1. Auftreten, Bußpredigt, Wirksamkeit und Gefangennahme Johannes des Täufers

3
1Im fünfzehnten Regierungsjahre des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Vierfürst von Abilene,
2zur Zeit des Hohenpriesters Hannas und Kaiphas: da erging das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias, in der Wüste.
3Er durchzog also die ganze Gegend am Jordan und verkündigte eine Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
4wie im Buche der Aussprüche des Propheten Jesaja geschrieben steht: »Eine Stimme ruft laut in der Wüste: ›Bereitet dem Herrn den Weg, ebnet ihm seine Pfade!
5Alle Vertiefungen sollen ausgefüllt und alle Berge und Hügel geebnet werden! Was krumm ist, soll gerade und was uneben ist, soll zu glattem Wege werden,
6und die gesamte Menschheit soll das Heil Gottes sehen!‹«
7So sprach Johannes denn zu den Volksscharen, die zu ihm hinauszogen, um sich von ihm taufen zu lassen: »Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch darauf gebracht, dem drohenden Zorngericht entfliehen zu wollen?
8So bringet denn Früchte, die der Buße würdig sind, und laßt euch nicht in den Sinn kommen, bei euch zu sagen: ›Wir haben ja doch Abraham zum Vater!‹, denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus den Steinen hier Kinder zu erwecken.
9Schon ist aber auch die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt, und jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.«
10Da fragte ihn die Volksmenge: »Was sollen wir denn tun?«
11Er gab ihnen zur Antwort: »Wer zwei Röcke hat, der gebe einen davon dem ab, der keinen hat, und wer zu essen hat, mache es ebenso!«
12Es kamen auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und fragten ihn: »Meister, was sollen wir tun?«
13Er antwortete ihnen: »Fordert nicht mehr (Geld von den Leuten), als euch vorgeschrieben ist!«
14Es fragten ihn auch Kriegsleute: »Was sollen wir tun?« Er antwortete ihnen: »Tut niemand Gewald an, verübt keine Erpressungen und begnügt euch mit eurer Löhnung!«

15Als nun das Volk in gespannter Erwartung war und alle sich in ihren Herzen Gedanken über Johannes machten, ob er nicht vielleicht selbst der Christus sei,
16antwortete Johannes allen mit den Worten: »Ich taufe euch (nur) mit Wasser; es kommt aber der, welcher stärker ist als ich und für den ich nicht gut genug bin, ihm die Riemen seiner Schuhe aufzubinden: der wird euch mit heiligem Geist und mit Feuer taufen.
17Er hat seine Worfschaufel in der Hand, um seine Tenne gründlich zu reinigen, und er wird den Weizen in seine Scheuer sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.«
18Auch noch viele andere Ermahnungen richtete er an das Volk und verkündigte ihm die Heilsbotschaft.
19Der Vierfürst Herodes aber, dem er wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen alles Bösen, das Herodes verübt hatte, Vorhaltungen gemacht hatte,
20fügte zu allen Übeltaten auch noch die hinzu, daß er Johannes ins Gefängnis werfen ließ.

2. Taufe und Messiasweihe Jesu

21Es begab sich aber, als das gesamte Volk sich taufen ließ und auch Jesus getauft worden war und betete, daß der Himmel sich auftat
22und der heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herabschwebte und eine Stimme aus dem Himmel erscholl: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden!«

3. Ahnentafel (oder Stammbaum) Jesu

23Und er, Jesus, war bei seinem Auftreten etwa dreißig Jahre alt und war, wie man meinte, der Sohn Josephs,
24des Sohnes des Eli, des Matthat, des Levi, des Melchi, des Jannai, des Joseph,
25des Mattathias, des Amos, des Nahum,
26des Esli, des Naggai, des Maath, des Mattathias, des Semein, des Jose, des Joda,
27des Johanan, des Resa, des Serubbabel, des Salathiel, des Neri,
28des Melchi, des Addi, des Kosam, des Elmadam, des Er,
29des Josua, des Elieser, des Jorim, des Matthath, des Levi,
30des Simeon, des Juda, des Joseph, des Jona, des Eljakim,
31des Melea, des Menna, des Matthatha, des Nathan, des David,
32des Jesse, des Jobed, des Boas, des Sala, des Nahason,
33des Amminadab, des Admin, des Arni, des Hezron, des Phares, des Juda,
34des Jakob, des Isaak, des Abraham, des Tharah, des Nahor,
35des Serug, des Regu, des Peleg, des Eber, des Selah,
36des Kainan, des Arphachsad, des Sem, des Noah, des Lamech,
37des Methusalah, des Henoch, des Jared, des Mahalaleel, des Kenan,
38des Enos, des Seth, des Adam, – Gottes.

4. Die Versuchung Jesu als seine Messiasprobe

4
1Jesus kehrte dann, voll heiligen Geistes, vom Jordan zurück und wurde vom Geist vierzig Tage lang in der Wüste (umher) geführt
2und dabei vom Teufel versucht. Er aß in diesen Tagen nichts, so daß ihn hungerte, als sie zu Ende waren.
3Da sagte der Teufel zu ihm: »Bist du Gottes Sohn, so gebiete diesem Steine hier, er solle zu Brot werden!«
4Doch Jesus antwortete ihm: »Es steht geschrieben: ›Nicht vom Brot allein wird der Mensch leben!‹«
5Hierauf führte ihn der Teufel in die Höhe, zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises
6und sagte zu ihm: »Dir will ich diese ganze Macht und ihre Herrlichkeit geben; denn mir ist sie übergeben, und ich kann sie geben, wem ich will.
7Wenn du also vor mir (niederfällst und mich) anbetest, so soll sie ganz dir gehören.«
8Da gab ihm Jesus zur Antwort: »Es steht geschrieben: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen!‹«
9Hierauf führte der Teufel ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sagte zu ihm: »Bist du Gottes Sohn, so stürze dich von hier hinab!
10Denn es steht geschrieben: ›Er wird seine Engel für dich entbieten, daß sie dich behüten,
11und sie werden dich auf den Armen tragen, damit du mit deinem Fuß an keinen Stein stoßest.‹«
12Da antwortete ihm Jesus: »Es ist gesagt: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!«
13Als der Teufel nun mit allen Versuchungen zu Ende war, ließ er von ihm ab bis zu einer gelegenen Zeit.

III. Jesu Wirken in Galiläa (4,14-9,50)

1. Erstes Auftreten Jesu in Galiläa; seine Predigt und Verwerfung in seiner Vaterstadt Nazareth

14Jesus kehrte dann in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück, und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Umgegend.
15Er lehrte in ihren Synagogen und wurde (wegen seiner Lehre) von allen gepriesen.

16So kam er denn auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, ging dort nach seiner Gewohnheit am nächsten Sabbattage in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen.
17Da reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja; und als er das Buch aufrollte, traf er auf die Stelle, wo geschrieben steht:
18»Der Geist des Herrn ist über mir, weil er mich gesalbt hat, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe; er hat mich gesandt, um den Gefangenen die Freilassung und den Blinden die Verleihung des Augenlichts zu verkünden, die Unterdrückten in Freiheit zu entlassen,
19ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.«
20Nachdem er dann das Buch wieder zusammengerollt und es dem Diener zurückgegeben hatte, setzte er sich, und aller Augen in der Synagoge waren gespannt auf ihn gerichtet.
21Da begann er seine Ansprache an sie mit den Worten: »Heute ist dieses Schriftwort, das ihr soeben vernommen habt, zur Erfüllung gekommen!«

22Und alle stimmten ihm zu und staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Munde kamen, und sagten: »Ist dieser nicht der Sohn Josephs?«
23Da antwortete er ihnen: »Jedenfalls werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: ›Arzt, mache dich selber gesund!‹ Alle die großen Taten, die (von dir), wie wir gehört haben, in Kapernaum vollbracht worden sind, die vollführe auch hier in deiner Vaterstadt!«
24Er fuhr dann aber fort: »Wahrlich ich sage euch: Kein Prophet ist in seiner Vaterstadt willkommen.
25In Wahrheit aber sage ich euch: Viele Witwen gab es in Israel in den Tagen Elias, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate lang verschlossen blieb, so daß eine große Hungersnot über die ganze Erde kam;
26und doch wurde Elia zu keiner einzigen von ihnen gesandt, sondern nur nach Sarepta im Gebiet von Sidon zu einer Witwe.
27Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elisa, und doch wurde kein einziger von ihnen gereinigt, sondern nur der Syrer Naeman
28Als sie das hörten, gerieten alle, die in der Synagoge anwesend waren, in heftigen Zorn:
29sie standen auf, stießen ihn aus der Stadt hinaus und führten ihn an den Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, um ihn dort hinabzustürzen.
30Er ging aber mitten durch sie hindurch und wanderte weiter.

2. Jesu Wirken in Kapernaum und in der Umgegend

a) Jesus lehrt in der Synagoge zu Kapernaum und heilt einen Besessenen

31Er begab sich dann nach der galiläischen Stadt Kapernaum hinab und lehrte sie dort am Sabbat.
32Da gerieten sie über seine Lehre in Staunen, denn seine Rede beruhte auf (göttlicher) Vollmacht.
33Nun war da in der Synagoge ein Mann, der von einem unreinen Geiste besessen war; der schrie laut auf:
34»Ha! Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, um uns zu vernichten! Ich weiß wohl, wer du bist: der Heilige Gottes!«
35Jesus bedrohte ihn mit den Worten: »Verstumme und fahre von ihm aus!« Da warf der böse Geist den Mann mitten unter sie zu Boden und fuhr von ihm aus, ohne ihm irgendwelchen Schaden zuzufügen.
36Da gerieten sie alle in Staunen; sie besprachen sich miteinander und sagten: »Was ist das für ein Machtwort? Mit (göttlicher) Vollmacht und Kraft gebietet er den unreinen Geistern, und sie fahren aus!«
37Und die Kunde von ihm verbreitete sich in alle Orte der Umgegend.

b) Heilung der Schwiegermutter des Simon Petrus und anderer Kranken in Kapernaum

38Nachdem er dann die Synagoge verlassen hatte, begab er sich in das Haus Simons. Dort war die Schwiegermutter Simons von hohem Fieber befallen, und man wandte sich ihretwegen an ihn.
39Er trat also zu ihr, beugte sich über sie und bedrohte das Fieber: da wich es von ihr; sie stand sogleich vom Lager auf und bediente sie (bei der Mahlzeit).

40Als dann die Sonne unterging, brachten alle, welche Kranke mit mancherlei Leiden hatten, sie zu ihm; er aber legte einem jeden von ihnen die Hände auf und heilte sie.
41Auch böse Geister fuhren von vielen aus, wobei sie laut schrien und ausriefen: »Du bist der Sohn Gottes!« Er bedrohte sie jedoch und ließ sie nicht zu Worte kommen; denn sie wußten, daß er Christus war.

c) Jesu Wanderpredigt in der Umgegend von Kapernaum

42Bei Tagesanbruch aber entwich er von dort und begab sich an einen einsamen Ort; doch die Volksmenge suchte nach ihm und kam zu ihm hin und wollte ihn zurückhalten, damit er nicht von ihnen wegginge.
43Er aber sagte zu ihnen: »Ich muß auch den anderen Städten die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes verkünden, denn dazu bin ich gesandt.«
44So predigte er denn in den Synagogen des jüdischen Landes.

3. Schiffspredigt Jesu; wunderbarer Fischzug des Petrus; Berufung der ersten vier Jünger

5
1Es begab sich aber (eines Tages), als das Volk ihn umdrängte und das Wort Gottes hörte, während er selbst am See Gennesaret stand,
2da sah er zwei Boote am Ufer des Sees liegen; die Fischer aber waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
3Da trat er in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Lande abzustoßen; darauf setzte er sich nieder und lehrte die Volksscharen vom Boote aus.
4Als er dann seine Ansprache beendet hatte, sagte er zu Simon: »Fahre auf die Höhe (des Sees) hinaus und werft eure Netze aus, damit ihr einen Zug tut!«
5Da antwortete Simon: »Meister, die ganze Nacht hindurch haben wir gearbeitet und nichts gefangen; doch auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.«
6Als sie das getan hatten, fingen sie eine so große Menge Fische, daß ihre Netze zerreißen wollten.
7Da winkten sie ihren Genossen, die in dem andern Boot waren, sie möchten kommen und ihnen helfen; die kamen auch, und man füllte beide Boote, so daß sie tiefgingen.
8Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus auf die Knie nieder und rief aus: »Herr, gehe weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!«
9Denn Schrecken hatte ihn und alle, die bei ihm waren, wegen dieses ihres Fischfangs befallen,
10ebenso auch den Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, welche Simons Genossen waren. Doch Jesus sagte zu Simon: »Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du ein Menschenfischer sein.«
11Sie brachten nun die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

4. Jesus heilt einen Aussätzigen und entweicht in die Einsamkeit

12Es begab sich darauf, während er sich in einer der Städte aufhielt, daß ein Mann da war, über und über mit Aussatz behaftet. Als dieser Jesus sah, warf er sich vor ihm auf sein Angesicht nieder und bat ihn mit den Worten: »Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen!«
13Jesus streckte die Hand aus, faßte ihn an und sagte: »Ich will’s: werde rein!« Da verschwand der Aussatz sogleich von ihm.
14Jesus gebot ihm dann, niemand etwas davon zu sagen, und gab ihm die Weisung: »Gehe hin, zeige dich dem Priester und bringe für deine Reinigung das Opfer dar, wie Mose es geboten hat, zum Zeugnis für sie!«
15Aber die Kunde über ihn breitete sich immer weiter aus, und das Volk strömte in großen Scharen zusammen, um ihn zu hören und sich von ihren Krankheiten heilen zu lassen.
16Er jedoch zog sich in die Einsamkeit zurück und betete dort.

5. Zusammenstöße mit den Führern des Volkes (Schriftgelehrten und Pharisäern)

a) Heilung eines Gelähmten; Jesus vergibt Sünden

17Eines Tages, als er der Lehrtätigkeit oblag, saßen auch Pharisäer und Gesetzeslehrer da, die aus allen Ortschaften Galiläas und Judäas und (besonders) aus Jerusalem gekommen waren; und die Kraft des Herrn war durch ihn wirksam, so daß er Heilungen vollbrachte.
18Da brachten Männer auf einem Tragbett einen Mann, der gelähmt war, und suchten ihn in das Haus hineinzubringen und vor Jesus niederzusetzen.
19Weil sie aber wegen der Volksmenge keine Möglichkeit fanden, ihn hineinzubringen, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn samt dem Tragbett durch die Ziegel hindurch mitten unter die Leute vor Jesus hinab.
20Als dieser ihren Glauben sah, sagte er: »Mensch, deine Sünden sind dir vergeben!«
21Da begannen die Schriftgelehrten und Pharisäer sich Gedanken darüber zu machen und sagten: »Wer ist dieser? Er spricht ja Gotteslästerungen aus! Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein?«
22Weil nun Jesus ihre Gedanken durchschaute, redete er sie mit den Worten an: »Was denkt ihr da in euren Herzen?
23Was ist leichter, zu sagen: ›Deine Sünden sind dir vergeben‹, oder zu sagen: ›Stehe auf und gehe umher‹?
24Damit ihr aber wißt, daß der Menschensohn Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben« – hierauf sagte er zu dem Gelähmten: »Ich sage dir: Stehe auf, nimm dein Bett auf dich und gehe heim in dein Haus!«
25Da stand er augenblicklich vor ihren Augen auf, nahm das (Tragbett), auf dem er gelegen hatte, und ging Gott preisend heim in sein Haus.
26Da gerieten alle außer sich vor Erstaunen; sie priesen Gott und sagten voller Furcht: »Unglaubliches haben wir heute gesehen!«

b) Berufung des Zöllners Levi (= Matthäus); Jesus als Tischgenosse der Zöllner und Sünder

27Hierauf ging er (aus dem Hause) hinaus und sah einen Zöllner namens Levi an der Zollstätte sitzen und sagte zu ihm: »Folge mir nach!«
28Da verließ jener alles, stand auf und folgte ihm nach.
29Und Levi richtete ihm zu Ehren ein großes Gastmahl in seinem Hause zu, und eine große Schar von Zöllnern und anderen Leuten waren da, die mit ihnen am Mahl teilnahmen.
30Da sagten die Pharisäer und die zu ihnen gehörenden Schriftgelehrten unwillig zu seinen Jüngern: »Warum eßt und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern?«
31Jesus antwortete ihnen mit den Worten: »Die Gesunden haben keinen Arzt nötig, wohl aber die Kranken;
32ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen zur Buße, sondern Sünder.«

c) Die Fastenfrage der Johannesjünger und Pharisäer; Jesus rechtfertigt das Neue in seinem Verhalten

33Sie aber sagten zu ihm: »Die Jünger des Johannes fasten häufig und verrichten (dabei) Gebete, ebenso auch die (Schüler) der Pharisäer, während die deinigen essen und trinken.«
34Jesus antwortete ihnen: »Könnt ihr etwa von den Hochzeitsgästen verlangen, daß sie fasten, solange der Bräutigam noch bei ihnen weilt?
35Es werden aber Tage kommen, wo der Bräutigam ihnen genommen ist: dann, an jenen Tagen, werden sie fasten.«

36Er legte ihnen aber auch noch ein Gleichnis vor: »Niemand reißt doch von einem neuen Kleid ein Stück Zeug ab und setzt es auf ein altes Kleid, sonst würde er nur das neue (Kleid) zerreißen, und zu dem alten Kleide würde das Stück Zeug von dem neuen (Kleide) doch nicht passen.
37Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche; sonst sprengt der junge Wein die Schläuche und läuft selbst aus, und auch die Schläuche gehen verloren.
38Nein, jungen Wein muß man in neue Schläuche füllen.
39Und niemand, der alten Wein getrunken hat, mag jungen Wein trinken; denn er sagt: ›Der alte ist bekömmlich.‹«

d) Das Ährenraufen der Jünger am Sabbat; der erste Streit Jesu mit den Pharisäern über die Sabbatheiligung

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1Es begab sich aber an einem Sabbat, daß er durch die Kornfelder wanderte; dabei pflückten seine Jünger Ähren ab, zerrieben sie in den Händen und aßen sie.
2Da sagten einige von den Pharisäern zu ihnen: »Warum tut ihr da etwas, das man am Sabbat nicht tun darf?«
3Jesus antwortete ihnen: »Habt ihr auch davon nichts gelesen, was David getan hat, als ihn samt seinen Begleitern hungerte?
4Wie er da ins Gotteshaus hineinging, dort die Schaubrote nahm und sie aß und auch seinen Begleitern davon gab, obgleich doch niemand außer den Priestern sie essen darf?«
5Er schloß mit den Worten: »Der Menschensohn ist Herr (auch) über den Sabbat.«

e) Heilung des Mannes mit dem gelähmten Arm am Sabbat; der zweite Streit über die Sabbatheiligung

6An einem anderen Sabbat aber ging er in die Synagoge und lehrte. Dort war ein Mann, dessen rechter Arm verdorrt war.
7Da lauerten die Schriftgelehrten und Pharisäer ihm auf, ob er wohl am Sabbat heilen würde, um dann einen Grund zu einer Anklage gegen ihn zu haben;
8er aber kannte ihre Gedanken wohl. Er sagte nun zu dem Manne mit dem gelähmten Arm: »Stehe auf und tritt vor in die Mitte!« Jener stand auf und trat hin.
9Dann sagte Jesus zu ihnen: »Ich frage euch: Darf man am Sabbat Gutes tun, oder soll man Böses tun? Darf man ein Leben erhalten, oder soll man es zugrunde gehen lassen?«
10Nachdem er sie dann alle ringsum (zornig) angeblickt hatte, sagte er zu ihm: »Strecke deinen Arm aus!« Jener tat es, und sein Arm wurde wieder hergestellt.
11Jene aber wurden ganz sinnlos vor Wut und besprachen sich miteinander, was sie Jesus antun könnten.

6. Berufung und Namen der zwölf Apostel; Zulauf des Volkes; viele Heilungen

12Es begab sich aber in diesen Tagen, daß er hinausging auf den Berg, um zu beten, und er verbrachte dort die (ganze) Nacht im Gebet zu Gott.
13Als es dann Tag geworden war, rief er seine Jünger zu sich und wählte zwölf aus ihnen aus, die er auch Apostel nannte:
14Simon, den er auch Petrus nannte, und dessen Bruder Andreas; ferner Jakobus und Johannes, Philippus und Bartholomäus,
15Matthäus und Thomas, Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Simon mit dem Beinamen ›der Eiferer‹,
16Judas, den Sohn des Jakobus, und Judas Iskarioth, der (später) zum Verräter an ihm wurde.

17Als er dann mit ihnen (vom Berge) wieder hinabgestiegen war, blieb er auf einem ebenen Platz stehen samt einer großen Schar seiner Jünger und einer zahlreichen Volksmenge aus dem ganzen jüdischen Lande, besonders aus Jerusalem, auch aus dem Küstenlande von Tyrus und Sidon.
18Alle diese waren gekommen, um ihn zu hören und sich von ihren Krankheiten heilen zu lassen; auch die von unreinen Geistern Geplagten fanden Heilung;
19und die ganze Volksmenge suchte ihn anzurühren, denn eine Kraft ging von ihm aus und heilte alle.

7. Die Bergpredigt (bzw. Feldpredigt?)

a) Die vier Seligpreisungen der irdisch (und geistlich) Armen und die vier Weherufe über die irdisch (und geistlich) Reichen

20Da richtete er seine Augen auf seine Jünger und sagte: »Selig seid ihr Armen, denn euer Teil ist das Reich Gottes!
21Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden! Selig seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen!
22Selig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen und wenn sie euch aus ihrer Gemeinschaft ausschließen und euch schmähen und euren Namen als ein Schimpfwort verwerfen um des Menschensohnes willen!
23Freuet euch alsdann und jubelt! Denn wisset wohl: euer Lohn ist groß im Himmel. Ihre Väter haben ja an den Propheten ebenso gehandelt.
24Doch wehe euch Reichen, denn ihr habt euren Trost dahin!
25Wehe euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet Hunger leiden! Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen!
26Wehe euch, wenn alle Welt mit Lobesworten von euch redet! Ihre Väter haben ja an den falschen Propheten ebenso gehandelt.«

b) Gebot der Feindesliebe; Verzicht auf Wiedervergeltung

27»Euch aber, meinen Hörern, sage ich: Liebet eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen,
28segnet die, welche euch fluchen, betet für die, welche euch anfeinden!
29Wer dich auf die Wange schlägt, dem halte auch die andere hin, und wer dir den Mantel wegnimmt, dem verweigere auch den Rock nicht!
30Jedem, der dich (um etwas) bittet, dem gib, und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück!
31Und wie ihr von den Leuten behandelt werden wollt, ebenso behandelt auch ihr sie!
32Denn wenn ihr (nur) die liebt, die euch lieben: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder lieben ja die, welche ihnen Liebe erweisen.
33Und wenn ihr (nur) denen Gutes erweist, die euch Gutes tun: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder tun dasselbe.
34Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr (das Geliehene) zurückzuerhalten hofft: welchen (Anspruch auf) Dank habt ihr dann? Auch die Sünder leihen den Sündern, um ebensoviel zurückzuerhalten.
35Nein, liebet eure Feinde, tut Gutes und leihet aus, ohne etwas zurückzuerwarten! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig (auch) gegen die Undankbaren und Bösen.
36Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!«

c) Warnung vor dem Richten und heuchlerischen Bessernwollen

37»Und richtet nicht, dann werdet ihr auch nicht gerichtet werden; und verurteilt nicht, dann werdet ihr auch nicht verurteilt werden; laßt (eure Schuldner) frei, dann werdet ihr auch freigelassen werden.
38Gebt, dann wird auch euch gegeben werden: ein reichliches, festgedrücktes, gerütteltes und übervolles Maß wird man euch in den Schoß schütten; denn mit demselben Maß, mit dem ihr zumeßt, wird euch wieder zugemessen werden.« –
39Er legte ihnen dann auch ein Gleichnis vor: »Kann wohl ein Blinder einen Blinden führen? Werden sie nicht beide in die Grube fallen?
40Der Jünger steht nicht über seinem Meister: jeder (Jünger) wird, wenn er völlig ausgebildet ist, immer nur wie sein Meister sein.
41Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, während du den Balken in deinem eignen Auge nicht wahrnimmst?
42Oder wie darfst du zu deinem Bruder sagen: ›Bruder, laß mich den Splitter, der in deinem Auge steckt, herausziehen‹, während du den Balken in deinem eignen Auge nicht gewahrst? Du Heuchler! Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge, dann magst du zusehen, daß du den Splitter herausziehst, der im Auge deines Bruders steckt.«

d) Der Glaubensgehorsam sowie der Unglaube der Menschen kommt aus dem Herzen, wie die Früchte aus der Art des Baumes

43»Denn es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, und umgekehrt keinen schlechten Baum, der gute Früchte bringt.
44Jeden Baum erkennt man ja an seinen Früchten; denn von Dornen sammelt man keine Feigen, und von einem Dornbusch kann man keine Trauben lesen.
45Ein guter Mensch bringt aus der guten Schatzkammer seines Herzens das Gute hervor, während ein böser Mensch aus der bösen (Schatzkammer seines Herzens) das Böse hervorbringt; denn wovon das Herz voll ist, davon redet sein Mund.«

e) Der Gehorsam oder der Ungehorsam gegen Jesu Wort bewährt oder rächt sich wie ein Hausbau mit festem Grund oder ohne solchen

46»Was nennt ihr mich aber ›Herr, Herr!‹ und tut doch nicht, was ich (euch) sage?
47Wer zu mir kommt und meine Worte hört und nach ihnen tut – ich will euch zeigen, wem der zu vergleichen ist:
48Er gleicht einem Manne, der, als er ein Haus bauen wollte, bis in die Tiefe ausgraben ließ und die Grundmauer auf den Felsen legte. Als nun Hochwasser kam, stieß die Flut an jenes Haus, vermochte es aber wegen seiner festen Bauart nicht zu erschüttern.
49Wer aber (meine Worte) hört und nicht nach ihnen tut, der gleicht einem Manne, der ein Haus ohne feste Grundmauer auf den (lockeren) Erdboden baute. Als dann die Flut dagegen stieß, stürzte es sogleich in sich zusammen, und der Einsturz dieses Hauses war gewaltig.«

8. Heilung des Knechts des (heidnischen) Hauptmanns von Kapernaum

7
1Nachdem Jesus alle seine Reden an das Volk, das ihm zuhörte, beendet hatte, ging er nach Kapernaum hinein.
2Dort lag der Diener eines Hauptmanns, der diesem besonders wert war, todkrank darnieder.
3Weil nun der Hauptmann von Jesus gehört hatte, sandte er Älteste der Juden zu ihm mit der Bitte, er möchte kommen und seinen Diener gesund machen.
4Als diese zu Jesus kamen, baten sie ihn inständig mit den Worten: »Er verdient es, daß du ihm diese Bitte erfüllst;
5denn er hat unser Volk lieb, und er ist es, der uns unsere Synagoge gebaut hat.«
6Da machte sich Jesus mit ihnen auf den Weg. Als er aber nicht mehr weit von dem Hause entfernt war, sandte der Hauptmann Freunde ab und ließ ihm sagen: »Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach trittst.
7Darum habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen; sprich vielmehr nur ein Wort, so muß mein Diener gesund werden.
8Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Vorgesetzten steht, und habe Mannschaften unter mir; und wenn ich zu einem sage: ›Geh!‹, so geht er, und zu einem anderen: ›Komm!‹, so kommt er, und zu meinem Diener: ›Tu das!‹, so tut er’s.«
9Als Jesus das hörte, wunderte er sich über ihn und sagte, zu der ihn begleitenden Volksmenge gewandt: »Ich sage euch: Selbst in Israel habe ich solchen Glauben nicht gefunden!«
10Als dann die Abgesandten in das Haus (des Hauptmanns) zurückkehrten, fanden sie den Diener von seiner Krankheit genesen.

9. Auferweckung des Jünglings zu Nain

11Kurze Zeit darauf begab es sich, daß Jesus nach einer Stadt namens Nain wanderte, und mit ihm zogen seine Jünger und eine große Volksschar.
12Als er sich nun dem Stadttor näherte, da trug man gerade einen Toten heraus, den einzigen Sohn seiner Mutter, und die war eine Witwe; und eine große Volksmenge aus der Stadt gab ihr das Geleit.
13Als der Herr sie sah, ging ihr Unglück ihm zu Herzen, und er sagte zu ihr: »Weine nicht!«
14Dann trat er hinzu und faßte die Bahre an; da standen die Träger still, und er sprach: »Jüngling, ich sage dir: stehe auf!«
15Da setzte der Tote sich aufrecht hin und fing an zu reden; und Jesus gab ihn seiner Mutter wieder.
16Da kam Furcht über alle, und sie priesen Gott und sagten: »Ein großer Prophet ist unter uns erstanden!« und: »Gott hat sein Volk gnädig angesehen!«
17Die Kunde von dieser seiner Tat aber verbreitete sich im ganzen jüdischen Lande und in allen umliegenden Gegenden.

10. Gesandtschaft Johannes des Täufers; Jesu Antwort und sein Zeugnis über Johannes

18Auch dem Johannes erstatteten seine Jünger Bericht über dies alles. Da rief Johannes zwei von seinen Jüngern zu sich,
19sandte sie zum Herrn und ließ ihn fragen: »Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?«
20Als nun die Männer bei Jesus eintrafen, sagten sie: »Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und läßt dich fragen: ›Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?‹«
21Jesus heilte in eben jener Stunde viele von Krankheiten, von schmerzhaften Leiden und bösen Geistern und schenkte vielen Blinden das Augenlicht.
22So gab er ihnen denn zur Antwort: »Geht hin und berichtet dem Johannes, was ihr (hier) gesehen und gehört habt: Blinde werden sehend, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird die Heilsbotschaft verkündigt,
23und selig ist, wer an mir nicht irre wird.«
24Als nun die Boten des Johannes wieder weggegangen waren, begann Jesus zu der Volksmenge über Johannes zu reden: »Was wolltet ihr sehen, als ihr (jüngst) in die Wüste hinauszogt? Etwa ein Schilfrohr, das vom Winde hin und her bewegt wird?
25Nein; aber wozu seid ihr hinausgezogen? Wolltet ihr einen Mann in weichen Gewändern sehen? Nein; die Leute, welche prächtige Kleidung tragen und in Üppigkeit leben, sind in den Königspalästen zu finden.
26Aber wozu seid ihr hinausgezogen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: Mehr noch als einen Propheten!
27Dieser ist es, über den geschrieben steht: ›Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir her bereiten soll.‹
28Ja, ich sage euch: Unter den von Frauen Geborenen gibt es keinen größeren (Propheten) als Johannes; aber der Kleinste im Reiche Gottes ist größer als er.
29Und das gesamte Volk, das ihn hörte, auch die Zöllner sind dem Willen Gottes nachgekommen, indem sie sich mit der Taufe des Johannes taufen ließen;
30aber die Pharisäer und die Gesetzeslehrer haben den Heilsratschluß Gottes für ihre Person verworfen, indem sie sich von ihm nicht taufen ließen.

31Wem soll ich nun die Menschen des gegenwärtigen Zeitalters vergleichen? Wem sind sie gleich?
32Sie sind wie Kinder, die auf einem öffentlichen Platze sitzen und einander zurufen: ›Wir haben euch gepfiffen, doch ihr habt nicht getanzt! Wir haben Klagelieder angestimmt, doch ihr habt nicht geweint!‹
33Denn Johannes der Täufer ist gekommen, der kein Brot aß und keinen Wein trank; da sagt ihr: ›Er ist von Sinnen!‹
34Nun ist der Menschensohn gekommen, welcher ißt und trinkt; da sagt ihr: ›Seht, ein Fresser und Weintrinker, ein Freund von Zöllnern und Sündern!‹
35Und doch ist die (göttliche) Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.«

11. Jesu Salbung durch die große Sünderin

36Es lud ihn aber einer von den Pharisäern ein, bei ihm zu speisen; er ging denn auch in die Wohnung des Pharisäers und nahm bei Tische Platz.
37Und siehe, eine Frau, die in der Stadt als Sünderin lebte und erfahren hatte, daß Jesus im Hause des Pharisäers zu Gaste sei, brachte ein Alabasterfläschchen mit Myrrhenöl
38und begann, indem sie von hinten an seine Füße herantrat und weinte, seine Füße mit ihren Tränen zu benetzen und sie mit ihrem Haupthaar zu trocknen; dann küßte sie seine Füße und salbte sie mit dem Myrrhenöl.
39Als nun der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er bei sich: »Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, so müßte er wissen, wer und was für eine Frau das ist, die ihn da berührt, daß sie nämlich eine Sünderin ist.«
40Da nahm Jesus das Wort und sagte zu ihm: »Simon, ich habe dir etwas zu sagen.« Jener erwiderte: »Meister, sprich!«
41»Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig;
42weil sie aber nicht zurückzahlen konnten, schenkte er beiden die Schuld. Wer von ihnen wird ihn nun am meisten lieben?«
43Simon antwortete: »Ich denke der, dem er das meiste geschenkt hat.« Jesus erwiderte ihm: »Du hast richtig geurteilt.«
44Indem er sich dann zu der Frau wandte, sagte er zu Simon: »Siehst du diese Frau hier? Ich bin in dein Haus gekommen: du hast mir kein Wasser für die Füße gegeben, sie aber hat mir die Füße mit ihren Tränen genetzt und sie mit ihrem Haar getrocknet.
45Du hast mir keinen Kuß gegeben, sie aber hat, seitdem ich eingetreten bin, mir die Füße unaufhörlich geküßt.
46Du hast mir das Haupt nicht mit Öl gesalbt, sie aber hat mir mit Myrrhenöl die Füße gesalbt.
47Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben, denn sie hat viel Liebe erwiesen; wem aber nur wenig vergeben wird, der erweist auch nur wenig Liebe.«
48Dann sagte er zu ihr: »Deine Sünden sind (dir) vergeben!«
49Da begannen die Tischgenossen bei sich zu denken: »Wer ist dieser, daß er sogar Sünden vergibt?«
50Er aber sagte zu der Frau: »Dein Glaube hat dich gerettet: gehe hin in Frieden!«

12. Die beständigen Begleiter Jesu bei seinen Wanderungen; die dienenden galiläischen Frauen

8
1In der folgenden Zeit durchwanderte er dann das Land von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, indem er öffentlich lehrte und die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes verkündigte. In seiner Begleitung befanden sich die zwölf Jünger
2sowie auch einige Frauen, die er von bösen Geistern und Krankheiten geheilt hatte, z.B. Maria, die Magdalena genannt wurde, aus der sieben böse Geister ausgefahren waren,
3ferner Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes, und Susanna und noch viele andere, die ihnen mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln Dienste leisteten.

13. Gleichnis vom Sämann und dem vierfachen Ackerfeld

4Als nun eine große Volksmenge zusammenkam und die Leute aus allen Städten ihm zuströmten, sprach er in der Form eines Gleichnisses:
5»Der Sämann ging aus, um seinen Samen zu säen; und beim Säen fiel einiges (von dem Saatkorn) auf den Weg längshin und wurde zertreten, und die Vögel des Himmels fraßen es auf.
6Anderes fiel auf felsigen Boden, und als es aufgegangen war, verdorrte es, weil ihm die Feuchtigkeit fehlte.
7Wieder anderes fiel mitten unter die Dornen, und die Dornen wuchsen mit auf und erstickten es.
8Anderes aber fiel auf den guten Boden, wuchs auf und brachte hundertfältigen Ertrag.« Bei diesen Worten rief er laut aus: »Wer Ohren hat zu hören, der höre!«

Sinn und Zweck der Gleichnisse; Deutung des Gleichnisses vom Sämann

9Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn dieses Gleichnisses;
10und er antwortete: »Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen, den anderen aber (werden sie) nur in Gleichnissen (vorgetragen), damit ›sie mit sehenden Augen doch nicht sehen und mit hörenden Ohren doch nicht verstehen‹.
11Dies ist aber die Deutung des Gleichnisses: Der Same ist das Wort Gottes.
12Die, bei denen der Same auf den Weg längshin fiel, sind solche, die (das Wort wohl) gehört haben, darauf aber kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen weg, damit sie nicht zum Glauben gelangen und dadurch gerettet werden.
13Die, bei denen der Same auf den felsigen Boden fiel, sind solche, die das Wort, wenn sie es gehört haben, mit Freuden annehmen; doch es kann nicht Wurzel bei ihnen schlagen: eine Zeitlang glauben sie wohl, aber zur Zeit der Versuchung fallen sie ab.
14Was dann unter die Dornen fiel, das deutet auf solche, die das Wort gehört haben, dann aber hingehen und es von den Sorgen und dem Reichtum und den Freuden des Lebens ersticken lassen, so daß sie die Frucht nicht zur Reife bringen.
15Was aber auf den guten Boden fiel, das deutet auf solche, die das Wort, welches sie gehört haben, in einem feinen und guten Herzen festhalten und mit Beharrlichkeit Frucht bringen.«

14. Einzelsprüche über die Jüngerpflicht (bezüglich der künftigen klaren und reichlichen Verkündigung der Heilsbotschaft)

16»Niemand aber, der ein Licht angezündet hat, deckt es mit einem Gefäß zu oder stellt es unter ein Bett, sondern er stellt es auf einen Leuchter, damit die Eintretenden den hellen Schein sehen.
17Denn nichts ist verborgen, was nicht offenbar werden wird, und nichts ist geheim, was nicht bekannt werden und ans Tageslicht kommen wird.
18Darum gebt wohl acht, wie ihr hört! Denn wer da hat, dem wird noch dazugegeben werden, und wer nicht hat, dem wird auch das noch genommen werden, was er zu haben meint.«

15. Die wahren Verwandten Jesu

19Es stellten sich dann seine Mutter und seine Brüder bei ihm ein, konnten jedoch wegen der Volksmenge nicht zu ihm gelangen.
20Da wurde ihm gemeldet: »Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wünschen dich zu sehen.«
21Er aber antwortete ihnen mit den Worten: »Meine Mutter und meine Brüder sind diese da, die das Wort Gottes hören und (danach) tun.«

16. Jesu Macht über Sturm, böse Geister und Tod

a) Jesus beschwichtigt den Seesturm

22Eines Tages begab es sich, daß er mit seinen Jüngern in ein Boot stieg und zu ihnen sagte: »Wir wollen an die andere Seite des Sees hinüberfahren!« So stießen sie denn vom Lande ab.
23Während der Fahrt aber schlief er ein. Da fuhr ein Sturmwind auf den See herab, das Boot füllte sich mit Wasser, und sie gerieten in Lebensgefahr.
24Da traten sie zu ihm und weckten ihn mit den Worten: »Meister, Meister, wir gehen unter!« Er aber stand auf und bedrohte den Wind und das Gewoge des Wassers: da legten sie sich, und es trat Windstille ein.
25Er sagte dann zu ihnen: »Wo ist nun euer Glaube (geblieben)?« Sie waren aber in Furcht und Staunen geraten und sagten zueinander: »Wer ist denn dieser, daß er sogar den Winden und dem Wasser gebietet und sie ihm gehorsam sind?«

b) Jesus heilt den Besessenen im Lande der Gergesener

26Sie fuhren dann nach dem Lande der Gergesener, das Galiläa gegenüber liegt.
27Als er dort ans Land gestiegen war, kam ihm ein Mann aus der Stadt entgegen, der von bösen Geistern besessen war; schon seit langer Zeit hatte er keine Kleider mehr angezogen, auch hielt er sich in keinem Hause mehr auf, sondern in den Gräbern.
28Als er Jesus sah, schrie er auf, warf sich vor ihm nieder und rief laut: »Was willst du von mir, Jesus, du Sohn Gottes, des Höchsten? Ich bitte dich! Quäle mich nicht
29Jesus war nämlich im Begriff, dem unreinen Geist zu gebieten, aus dem Manne auszufahren; denn dieser hatte ihn schon seit langer Zeit in seiner Gewalt, und man hatte ihn mit Ketten und Fußfesseln gebunden und in Gewahrsam gehalten; doch er hatte die Bande allemal zerrissen und wurde von dem bösen Geiste in die Einöden getrieben.
30Jesus fragte ihn nun: »Wie heißt du?« Er antwortete: »Legion«; denn viele böse Geister waren in ihn gefahren.
31Diese baten ihn nun, er möchte ihnen nicht gebieten, in den Abgrund zu fahren.
32Nun befand sich dort eine große Herde Schweine auf der Weide an dem Berge; deshalb baten die Geister ihn um die Erlaubnis, in diese fahren zu dürfen, und er erlaubte es ihnen.
33So fuhren denn die Geister aus dem Manne aus und in die Schweine hinein; und die Herde stürmte den Abhang hinab in den See und ertrank dort.

34Als nun die Hirten sahen, was geschehen war, ergriffen sie die Flucht und erstatteten Meldung in der Stadt und in den Gehöften.
35Da zogen die Leute hinaus, um zu sehen, was vorgefallen war; sie kamen zu Jesus und fanden den Mann, aus dem die Geister ausgefahren waren, bekleidet und ganz vernünftig zu den Füßen Jesu sitzen und gerieten darüber in Furcht.
36Die Augenzeugen erzählten ihnen dann, wie der (früher) Besessene geheilt worden war.
37Da bat ihn die gesamte Bevölkerung der Umgegend von Gergesa, er möchte ihr Gebiet verlassen; denn sie waren in große Furcht geraten. So stieg er denn wieder ins Boot und machte sich auf den Rückweg.

38Hierauf richtete der Mann, von dem die bösen Geister ausgefahren waren, die Bitte an ihn, bei ihm bleiben zu dürfen; doch Jesus hieß ihn gehen mit den Worten:
39»Kehre in dein Haus zurück und erzähle dort, wie Großes Gott an dir getan hat!« Da ging er denn auch hin und verkündete in der ganzen Stadt, wie Großes Jesus an ihm getan hatte.

c) Jesus heilt die blutflüssige Frau und erweckt das Töchterlein des Jairus

40Als Jesus dann zurückkehrte, nahm die Volksmenge ihn mit Freuden in Empfang, denn sie hatten alle auf ihn gewartet.
41Da kam ein Mann namens Jairus, ein Vorsteher der (dortigen) Synagoge, warf sich vor Jesus nieder und bat ihn, in sein Haus zu kommen;
42er hatte nämlich eine einzige Tochter von ungefähr zwölf Jahren, und diese lag im Sterben.

Während Jesus nun hinging, umdrängte ihn die Volksmenge.
43Und eine Frau, die schon seit zwölf Jahren am Blutfluß litt und [obgleich sie ihr ganzes Vermögen an Ärzte aufgewandt hatte] bei keinem Heilung hatte finden können,
44die trat von hinten an ihn heran und faßte die Quaste seines Mantels an, und augenblicklich kam der Blutfluß bei ihr zum Stillstand.
45Da fragte Jesus: »Wer hat mich angefaßt?« Als nun alle es in Abrede stellten, sagte Petrus: »Meister, die Volksmenge umdrängt und stößt dich von allen Seiten!«
46Jesus aber erwiderte: »Es hat mich jemand angefaßt, ich habe ja gefühlt, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist.«
47Als nun die Frau sah, daß sie nicht unbemerkt geblieben war, kam sie zitternd herbei, warf sich vor ihm nieder und bekannte vor dem ganzen Volk, aus welchem Grunde sie ihn angefaßt habe und wie sie augenblicklich gesund geworden sei.
48Da sagte er zu ihr: »Meine Tochter, dein Glaube hat dir Heilung verschafft: gehe in Frieden!«

49Während er noch redete, kam einer von den Leuten des Synagogenvorstehers mit der Meldung: »Deine Tochter ist gestorben: bemühe den Meister nicht weiter!«
50Als Jesus das hörte, sagte er zu Jairus: »Fürchte dich nicht, glaube nur, dann wird sie gerettet werden!«
51Als er dann an das Haus gekommen war, ließ er niemand (von den Seinen) mit sich eintreten außer Petrus, Johannes, Jakobus und den Eltern des Mädchens.
52Alle weinten aber und wehklagten laut um sie; er jedoch sagte: »Weinet nicht! Sie ist nicht tot, sondern schläft nur«;
53da verlachten sie ihn, weil sie wohl wußten, daß sie tot war.
54Er aber faßte sie bei der Hand und rief ihr laut zu: »Mädchen, stehe auf!«
55Da kehrte ihr Geist zu ihr zurück, und sie stand sogleich auf; und er ordnete an, man solle ihr zu essen geben.
56Und ihre Eltern waren vor Erregung ganz außer sich; er aber gebot ihnen, keinem etwas von dem Geschehenen zu erzählen.

17. Aussendung der zwölf Jünger und Anweisungen für sie

9
1Er rief dann die Zwölf zusammen und gab ihnen Kraft und Vollmacht über alle bösen Geister sowie zur Heilung von Krankheiten,
2hierauf sandte er sie aus, das Reich Gottes zu verkünden und (die Kranken) zu heilen.
3Dabei gab er ihnen die Weisung: »Nehmt nichts mit auf den Weg, weder einen Stock noch einen Ranzen, weder Brot noch Geld; auch sollt ihr nicht jeder zwei Röcke haben!
4Wo ihr in ein Haus eingetreten seid, dort bleibt und von dort zieht weiter!
5Und wo man euch nicht aufnimmt, da geht aus einer solchen Stadt weg und schüttelt den Staub von euren Füßen ab zum Zeugnis wider sie!«
6So machten sie sich denn auf den Weg und wanderten von Dorf zu Dorf, indem sie überall die Heilsbotschaft verkündeten und Heilungen vollführten.

18. Abschluß der Wirksamkeit Jesu in Galiläa

a) Urteil des Herodes über Jesus

7Es hörte aber der Vierfürst Herodes von allen diesen Begebenheiten und fühlte sich dadurch beunruhigt; denn manche behaupteten, Johannes sei von den Toten auferweckt worden;
8andere wieder meinten, Elia sei erschienen; noch andere, einer von den alten Propheten sei auferstanden.
9Herodes aber sagte: »Den Johannes habe ich enthaupten lassen; wer mag nun dieser sein, über den ich solche Dinge höre?« So hegte er denn den Wunsch, Jesus persönlich zu sehen.

b) Rückkehr der Apostel; Jesus zieht sich in die Einsamkeit zurück; Speisung der Fünftausend

10Nach ihrer Rückkehr berichteten ihm die Apostel alles, was sie getan hatten. Da nahm er sie mit sich und zog sich in die Stille zurück in eine Ortschaft namens Bethsaida.
11Als aber die Volksmenge das in Erfahrung gebracht hatte, zogen sie ihm nach, und er ließ sie auch zu sich kommen, redete zu ihnen vom Reiche Gottes und machte die gesund, welche der Heilung bedurften.
12Als der Tag sich dann zu neigen begann, traten die Zwölf an ihn heran und sagten zu ihm: »Laß das Volk ziehen, damit sie in die umliegenden Ortschaften und Gehöfte gehen und dort Unterkunft und Verpflegung finden; denn hier sind wir in einer öden Gegend.«
13Doch er antwortete ihnen: »Gebt ihr ihnen doch zu essen!« Da erwiderten sie: »Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische; wir müßten sonst hingehen und Lebensmittel für dieses ganze Volk einkaufen« –
14es waren nämlich gegen fünftausend Männer. Er sagte aber zu seinen Jüngern: »Laßt sie sich in Gruppen von etwa je fünfzig Personen lagern.«
15Sie taten so und brachten alle dazu, sich zu lagern.
16Darauf nahm er die fünf Brote und die beiden Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis (Gottes), brach die Brote und gab sie immer wieder den Jüngern, damit diese sie dem Volk vorlegten.
17Und sie aßen und wurden alle satt; dann las man die Brocken auf, die sie übriggelassen hatten, zwölf Körbe voll.

c) Das Messiasbekenntnis des Petrus und die erste Leidensankündigung Jesu

18Es begab sich hierauf, als er für sich allein betete, daß nur die Jünger sich bei ihm befanden; da fragte er sie: »Für wen halten mich die Volksscharen?«
19Sie gaben ihm zur Antwort: »Für Johannes den Täufer, andere für Elia, noch andere meinen, einer von den alten Propheten sei auferstanden.«
20Darauf fragte er sie weiter: »Ihr aber – für wen haltet ihr mich?« Da antwortete Petrus: »Für Christus, den Gottgesalbten!«
21Da gab er ihnen die strenge Weisung und gebot ihnen, sie sollten das niemand sagen,
22und fügte noch hinzu: »Der Menschensohn muß vieles leiden und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten verworfen werden und den Tod erleiden und am dritten Tage auferweckt werden.«

d) Sprüche über die Nachfolge der Jünger

23Dann sagte er zu allen: »Will jemand mein Nachfolger sein, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz Tag für Tag auf sich und folge so mir nach! –
24Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.
25Denn was hülfe es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, sich selbst aber verlöre oder einbüßte? –
26Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit und in der Herrlichkeit des Vaters und der heiligen Engel kommt.
27Ich sage euch aber der Wahrheit gemäß: Einige unter denen, die hier stehen, werden den Tod nicht schmecken, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.«

e) Jesu Verklärung auf dem Berge

28Etwa acht Tage nach diesen Unterredungen nahm er Petrus, Johannes und Jakobus mit sich und stieg auf den Berg, um zu beten.
29Während er nun betete, veränderte sich das Aussehen seines Angesichts, und seine Kleidung wurde leuchtend weiß.
30Und siehe, zwei Männer besprachen sich mit ihm, das waren Mose und Elia;
31sie erschienen in (himmlischer) Herrlichkeit und redeten davon, wie sein Lebensausgang sich in Jerusalem vollziehen sollte.
32Petrus aber und seine Genossen waren von schwerer Schläfrigkeit befallen; weil sie sich aber mit Gewalt wach hielten, sahen sie seine Herrlichkeit und die beiden Männer, die bei ihm standen.
33Als diese von ihm scheiden wollten, sagte Petrus zu Jesus: »Meister, hier sind wir gut aufgehoben; wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia« – er wußte nämlich nicht, was er da sagte.
34Während er noch so redete, kam eine Wolke und überschattete sie; und sie gerieten in Furcht, als sie in die Wolke hineinkamen.
35Da erscholl eine Stimme aus der Wolke, die rief: »Dies ist mein auserwählter Sohn: höret auf ihn!«,
36und während die Stimme erscholl, fand es sich, daß Jesus allein da war. Und die Jünger blieben verschwiegen und teilten in jenen Tagen niemand etwas von dem mit, was sie gesehen hatten.

f) Heilung eines fallsüchtigen Knaben

37Als sie aber am folgenden Tage von dem Berge wieder hinabgestiegen waren, kam ihm eine große Volksmenge entgegen.
38Da rief ein Mann aus der Volksmenge heraus: »Meister, ich bitte dich: nimm dich meines Sohnes an, er ist ja mein einziger!
39Siehe, ein Geist packt ihn, so daß er plötzlich aufschreit; und er zerrt ihn hin und her, so daß ihm Schaum vor den Mund tritt, und läßt nur schwer von ihm ab: er reibt seine Kräfte ganz auf!
40Ich habe deine Jünger gebeten, sie möchten ihn austreiben, doch sie haben es nicht gekonnt.«
41Da antwortete Jesus: »O ihr ungläubige und verkehrte Art von Menschen! Wie lange soll ich noch bei euch sein und es mit euch aushalten? Bringe deinen Sohn hierher!«
42Während nun der Knabe noch auf ihn zuging, riß der böse Geist ihn hin und her und zog ihn krampfhaft zusammen. Jesus aber bedrohte den unreinen Geist, heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater (gesund) zurück.
43Da gerieten alle außer sich vor Staunen über die große Macht Gottes.

g) Zweite Leidensankündigung Jesu

Während nun alle voll Verwunderung über alle seine Taten waren, sagte er zu seinen Jüngern:
44»Laßt ihr die Worte, die ich euch jetzt sage, in eure Ohren dringen! Denn der Menschensohn wird in die Hände der Menschen überantwortet werden.«
45Sie verstanden aber diesen Ausspruch nicht, sondern er blieb vor ihnen verhüllt, damit sie ihn nicht begriffen; doch scheuten sie sich, ihn wegen dieses Ausspruchs zu befragen.

h) Der Jünger Überhebung; Belehrung über die Demut und über die Duldsamkeit

46Es stieg aber (einmal) der Gedanke in ihnen auf, wer wohl der Größte unter ihnen wäre.
47Da Jesus nun den Gedanken kannte, der sie beschäftigte, nahm er ein Kind, stellte es neben sich
48und sagte zu ihnen: »Wenn jemand dieses Kind auf meinen Namen hin aufnimmt, so nimmt er mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat; denn wer der Kleinste unter euch allen ist, der ist groß

49Da nahm Johannes das Wort und sagte: »Meister, wir haben jemand gesehen, der mit deinem Namen böse Geister austrieb, und haben es ihm untersagt, weil er dir nicht mit uns nachfolgt
50Jesus aber erwiderte ihm: »Untersagt es ihm nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.«

IV. Wirksamkeit Jesu auf seiner langen Wanderung nach Jerusalem (9,51-19,27)

1. Aufbruch zur Reise; das ungastliche Samariterdorf

51Als dann aber die Zeit seines Hingangs herankam, richtete er fest entschlossen sein Augenmerk darauf, nach Jerusalem zu ziehen,
52und er sandte Boten vor sich her. Diese machten sich auf den Weg und kamen in ein Dorf der Samariter, um dort ein Unterkommen für ihn zu besorgen;
53doch man nahm ihn nicht auf, weil er die Absicht hatte, nach Jerusalem zu ziehen.
54Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, fragten sie: »Herr, willst du, daß wir aussprechen, es solle Feuer vom Himmel fallen und sie verzehren, wie auch Elia getan hat?«
55Er aber wandte sich um und verwies es ihnen mit den Worten: »Wißt ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenleben zu vernichten, sondern um sie zu retten.«
56So begaben sie sich denn in ein anderes Dorf.

2. Drei verschiedene Nachfolger Jesu; Sprüche über die Nachfolge

57Als sie dann des Weges weiterzogen, sagte einer zu ihm: »Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.«
58Jesus antwortete ihm: »Die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels Nester, der Menschensohn aber hat keine Stätte, wohin er sein Haupt legen kann.« –
59Zu einem anderen sagte er: »Folge mir nach!« Der entgegnete: »Erlaube mir, zunächst noch hinzugehen und meinen Vater zu begraben.«
60Da antwortete er ihm: »Laß die Toten ihre Toten begraben! Du aber gehe hin und verkündige das Reich Gottes!« –
61Noch ein anderer sagte: »Herr, ich will dir folgen; zunächst aber gestatte mir, von meinen Hausgenossen Abschied zu nehmen!«
62Da sagte Jesus zu ihm: »Niemand, der die Hand an den Pflug gelegt hat und dann noch rückwärts blickt, ist für das Reich Gottes tauglich.«

3. Aussendung der siebzig Jünger und Anweisung für sie; Wehruf über die unbußfertigen galiläischen Städte

10
1Hierauf aber bestellte der Herr noch siebzig andere (Jünger) und sandte sie paarweise vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst zu gehen gedachte.
2Er sagte zu ihnen: »Die Ernte ist groß, aber klein die Zahl der Arbeiter; darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter auf sein Erntefeld sende!
3Geht hin! Seht, ich sende euch wie Lämmer mitten unter Wölfe.
4Nehmt keinen Geldbeutel mit euch, auch keinen Ranzen und keine Schuhe, und laßt euch unterwegs mit niemand in lange Begrüßungen ein.
5Wo ihr in ein Haus eintretet, da sagt zuerst: ›Friede (sei) mit diesem Hause!‹
6Wenn dann dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm gewünscht habt, auf ihm ruhen; andernfalls wird euer Friedensgruß zu euch zurückkehren.
7In demselben Hause bleibt dann und eßt und trinkt, was man euch bietet; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Geht nicht aus einem Hause weg in ein anderes;
8und wo ihr in einer Stadt einkehrt und man euch aufnimmt, so eßt, was man euch vorsetzt,
9und heilt die Kranken daselbst und sagt zu den Stadtbewohnern: ›Das Reich Gottes ist nahe zu euch herbeigekommen!‹
10Wo ihr aber in einer Stadt einkehrt und man euch nicht aufnimmt, so geht auf ihre Straßen hinaus und sagt:
11›Sogar den Staub, der sich uns aus eurer Stadt an die Füße gehängt hat, wischen wir ab, damit er euch verbleibt, doch das sollt ihr wissen, daß das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist!‹
12Ich sage euch: Es wird Sodom an jenem Tage erträglicher ergehen als der betreffenden Stadt!

13Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Wundertaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind, so hätten sie längst, in Sack und Asche sitzend, Buße getan.
14Doch es wird Tyrus und Sidon beim Gericht erträglicher ergehen als euch.
15Und du, Kapernaum, wirst doch nicht etwa bis zum Himmel erhöht werden? Nein, bis zum Totenreich wirst du hinabgestoßen werden!
16Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verwirft, verwirft mich; wer aber mich verwirft, verwirft den, der mich gesandt hat.«

4. Rückkehr der siebzig Jünger; Jesu Jubelruf und seine Seligpreisung der Jünger

17Die Siebzig kehrten dann voller Freude zurück und sagten: »Herr, auch die bösen Geister sind uns kraft deines Namens gehorsam
18Da antwortete er ihnen: »Ich habe den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel herabgestürzt gesehen.
19Ihr wißt: ich habe euch die Macht verliehen, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und Macht über das ganze Heer des Widersachers, und keinen Schaden wird er euch irgendwie zufügen können.
20Doch nicht darüber freuet euch, daß die Geister euch gehorsam sind; freut euch vielmehr darüber, daß eure Namen im Himmel eingeschrieben stehen!«

21In eben dieser Stunde jubelte Jesus durch den heiligen Geist mit den Worten: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen und es Unmündigen geoffenbart hast; ja, Vater, denn so ist es dir wohlgefällig gewesen.
22Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden, und niemand erkennt, wer der Sohn ist, als nur der Vater, und wer der Vater ist, als nur der Sohn, und wem der Sohn ihn offenbaren will.« –
23Dann wandte er sich zu den Jüngern besonders und sagte: »Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr seht!
24Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige haben gewünscht, das zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und das zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.«

5. Jesus und der Gesetzeslehrer; Wesen der Nächstenliebe; Erzählung vom barmherzigen Samariter

25Da trat ein Gesetzeslehrer auf, um ihn zu versuchen, und fragte: »Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu ererben?«
26Jesus erwiderte ihm: »Was steht im Gesetz geschrieben? Wie lauten da die Worte?«
27Er gab zur Antwort: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Denken« und »deinen Nächsten wie dich selbst«.
28Jesus sagte zu ihm: »Du hast richtig geantwortet; tu das, so wirst du leben!«
29Jener wollte sich aber rechtfertigen und sagte zu Jesus: »Ja, wer ist denn mein Nächster?«
30Da erwiderte Jesus: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und fiel Räubern in die Hände; die plünderten ihn aus, schlugen ihn blutig, ließen ihn halbtot liegen und gingen davon.
31Zufällig kam ein Priester jene Straße hinabgezogen und sah ihn liegen, ging aber vorüber.
32Ebenso kam auch ein Levit an die Stelle und sah ihn, ging aber vorüber.
33Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam in seine Nähe, und als er ihn sah, fühlte er Mitleid mit ihm;
34er trat an ihn heran und verband ihm die Wunden, wobei er Öl und Wein darauf goß; dann setzte er ihn auf sein Maultier, brachte ihn in eine Herberge und verpflegte ihn.
35Am folgenden Morgen holte er zwei Denare heraus (aus seinem Beutel), gab sie dem Wirt und sagte: ›Verpflege ihn, und was es dich etwa mehr kostet, will ich dir bei meiner Rückkehr ersetzen.‹
36Wer von diesen dreien hat sich nun nach deiner Ansicht dem unter die Räuber Gefallenen als Nächster erwiesen?«
37Jener antwortete: »Der, welcher die Barmherzigkeit an ihm geübt hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »So gehe hin und handle du ebenso!«

6. Martha und Maria in Bethanien

38Als sie dann weiterwanderten, kam er in ein Dorf, und eine Frau namens Martha nahm ihn in ihr Haus auf.
39Diese hatte eine Schwester namens Maria, die sich zu den Füßen des Herrn niederließ und seinen Worten zuhörte;
40Martha dagegen ließ sich durch vielerlei Dienstleistungen für die Bewirtung in Anspruch nehmen. Nun trat sie zu ihm und sagte: »Herr, machst du dir nichts daraus, daß meine Schwester die Bedienung mir allein überlassen hat? Sage ihr doch, sie möge mir zur Hand gehen!«
41Aber der Herr gab ihr zur Antwort: »Martha, Martha! Du machst dir [Sorge und] Unruhe um vielerlei;
42aber nur eins ist nötig. Denn Maria hat das gute Teil erwählt: das soll ihr nicht genommen werden.«

7. Vom Gebet

a) Jesus lehrt die Jünger beten: das Vaterunser

11
1Jesus betete (einst unterwegs) an einem Orte, und als er damit zu Ende war, sagte einer seiner Jünger zu ihm: »Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger (Gebete) gelehrt hat!«
2Da sagte er zu ihnen: »Wenn ihr beten wollt, so sprecht: ›Vater, geheiligt werde dein Name! Dein Reich komme!
3Unser auskömmliches Brot gib uns Tag für Tag!
4Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der sich an uns verschuldet! Und führe uns nicht in Versuchung!‹«

b) Das Gleichnis vom bittenden Freund; Jesus ermuntert zum inständigen und anhaltenden Beten

5Dann fuhr er fort: »Wer unter euch hätte wohl einen Freund und ginge (nicht) mitten in der Nacht zu ihm und sagte zu ihm: ›Freund, hilf mir mit drei Broten aus!
6Denn ein Freund von mir ist auf der Reise zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts vorzusetzen‹;
7und jener würde von drinnen antworten: ›Belästige mich nicht! Die Tür ist schon verschlossen, und meine Kinder liegen schon bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und es dir geben!‹
8Ich sage euch: Wenn er auch nicht deshalb aufstehen und ihm das Gewünschte geben mag, weil jener sein Freund ist, so wird er doch wegen dessen Hartnäckigkeit aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
9So sage denn auch ich euch: Bittet, so wird euch gegeben werden; suchet, so werdet ihr finden; klopft an, so wird man euch auftun!
10Denn wer da bittet, empfängt, und wer da sucht, findet, und wer anklopft, dem wird man auftun.
11Wo wäre aber unter euch ein Vater, der seinem Sohne, wenn er ihn um Brot bittet, einen Stein reichte? Oder wenn er ihn um einen Fisch bittet, wird er ihm statt dessen wohl eine Schlange reichen?
12Oder auch einen Skorpion statt eines Eies?
13Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht: wieviel mehr wird der Vater vom Himmel her Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten!«

8. Jesus verteidigt sich gegen die Beelzebul-Lästerung der Pharisäer; Gleichnis vom Rückfall

14Er trieb dann einen bösen Geist aus, der stumm war; und als der böse Geist ausgefahren war, konnte der Stumme reden. Da geriet die Volksmenge in Erstaunen.
15Einige von ihnen aber sagten: »Im Bunde mit Beelzebul, dem Obersten der bösen Geister, treibt er die bösen Geister aus.«
16Andere wieder stellten ihn auf die Probe, indem sie von ihm ein Wunderzeichen vom Himmel her verlangten.
17Weil er jedoch ihre Gedanken kannte, sagte er zu ihnen: »Jedes Reich, das gegen sich selbst entzweit ist, wird verwüstet, und ein Haus stürzt auf das andere.
18Wenn nun auch der Satan gegen sich selbst in Zwiespalt geraten ist, wie wird dann seine Herrschaft Bestand haben können? Ihr behauptet ja, daß ich die bösen Geister im Bunde mit Beelzebul austreibe!
19Wenn ich aber die Geister im Bunde mit Beelzebul austreibe, mit wessen Hilfe treiben eure Söhne sie aus? Darum werden diese eure Richter sein.
20Wenn ich aber die bösen Geister durch Gottes Finger austreibe, dann ist ja das Reich Gottes (schon) zu euch gekommen. –
21Solange der Starke in voller Waffenrüstung sein Schloß bewacht, ist sein Besitztum in Sicherheit;
22wenn aber ein Stärkerer ihn überfällt und besiegt, so nimmt er ihm seine Waffenrüstung, auf die er sich verlassen hatte, und teilt die ihm abgenommene Beute aus. –
23Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

24Wenn der unreine Geist von einem Menschen ausgefahren ist, durchwandert er wüste Gegenden und sucht eine Ruhestätte; und wenn er keine findet, so sagt er: ›Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe.‹
25Wenn er dann hinkommt, findet er es sauber gefegt und schön aufgeräumt.
26Hierauf geht er hin und nimmt noch sieben andere Geister, die bösartiger sind als er selbst; und sie ziehen ein und nehmen dort Wohnung; und das Ende wird bei einem solchen Menschen schlimmer als der Anfang war.«

Jesu Seligpreisung der wahren Gotteskinder

27Als er so redete, erhob eine Frau aus der Volksmenge ihre Stimme und rief ihm zu: »Selig (zu preisen) ist der Mutterschoß, der dich getragen, und die Brüste, die dich genährt haben!«
28Er aber erwiderte: »Selig sind vielmehr die, welche das Wort Gottes hören und bewahren!«

9. Rede Jesu gegen die Zeichenforderer; das Jonazeichen

29Als dann immer noch mehr Volksscharen sich sammelten, begann er folgende Rede: »Das gegenwärtige Geschlecht ist ein böses Geschlecht! Es verlangt ein Zeichen, doch es wird ihm kein Zeichen gegeben werden als nur das Zeichen des (Propheten) Jona.
30Denn wie Jona einst für die Bewohner von Ninive zu einem Zeichen geworden ist, so wird es auch der Menschensohn für dieses Geschlecht sein.
31Die Königin aus dem Süden wird im Gericht mit den Männern dieses Geschlechts (als Zeugin) auftreten und ihre Verurteilung herbeiführen; denn sie ist von den Enden der Erde gekommen, um die Weisheit Salomos zu hören; und hier steht Größeres als Salomo.
32Die Männer von Ninive werden im Gericht mit diesem Geschlecht (als Zeugen) auftreten und seine Verurteilung herbeiführen; denn sie haben auf Jonas Predigt hin Buße getan; und hier steht Größeres als Jona. –
33Niemand zündet ein Licht an und stellt es dann in einen verborgenen Winkel oder unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit die Eintretenden den hellen Schein sehen.
34Die Leuchte des Leibes ist dein Auge. Solange nun dein Auge richtig ist, hat auch dein ganzer Leib Licht; wenn es aber nichts taugt, so befindet sich auch dein (ganzer) Leib in Finsternis.
35Darum gib wohl acht, daß das Licht in dir sich nicht verfinstert!
36Ist nun dein ganzer Leib beleuchtet und kein Teil an ihm im Finstern geblieben, dann wird er ganz so in Helligkeit sein, wie wenn die Lampe dich mit ihrem hellen Schein bestrahlt.«

10. Strafrede Jesu gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten

a) Gegen die Heuchelei der Pharisäer

37Im Anschluß an diese Rede bat ihn ein Pharisäer, zu Mittag bei ihm zu speisen; er ging auch zu ihm ins Haus und setzte sich (ohne weiteres) zu Tisch.
38Als der Pharisäer das sah, äußerte er seine Verwunderung darüber, daß Jesus sich vor der Mahlzeit nicht zunächst gewaschen habe.
39Da sagte der Herr zu ihm: »Nun ja, ihr Pharisäer haltet die Außenseite des Bechers und der Schüssel rein, euer Inneres aber ist voll von Raub (-gier) und Bosheit.
40Ihr Toren! Hat nicht der, welcher das Auswendige geschaffen hat, auch das Inwendige geschaffen?
41Gebt nur das, was sich darin befindet, als Almosen: seht, dann habt ihr sofort alles rein.
42Aber wehe euch Pharisäern! Ihr entrichtet den Zehnten von Minze, Raute und jedem anderen Gartengewächs, laßt aber das Recht und die Liebe zu Gott außer acht. Vielmehr sollte man diese (beiden) üben und jenes nicht unterlassen.
43Wehe euch Pharisäern! Ihr liebt den Ehrenplatz in den Synagogen und wollt auf den Märkten gegrüßt sein.
44Wehe euch! Ihr seid wie die unkenntlich gewordenen Gräber, über welche die Leute, ohne es zu wissen, hingehen.«

b) Wehrufe über die Bosheit der Gesetzeslehrer; Wirkung der Rede

45Da nahm einer von den Gesetzeslehrern das Wort und sagte zu ihm: »Meister, mit diesen Worten beleidigst du auch uns!«
46Er aber entgegnete: »Wehe auch euch Gesetzeslehrern! Denn ihr bürdet den Menschen schwer zu tragende Lasten auf, rührt aber selber die Lasten mit keinem Finger an.
47Wehe euch! Ihr erbaut den Propheten Grabmäler, während eure Väter sie getötet haben.
48Damit tretet ihr als Zeugen für die Taten eurer Väter auf und zollt ihnen Beifall; denn jene haben sie getötet, und ihr errichtet ihnen Bauwerke.
49Darum hat auch die Weisheit Gottes gesagt: ›Ich will Propheten und Apostel zu ihnen senden, von denen sie einige töten und verfolgen werden,
50damit das Blut aller Propheten, das seit Grundlegung der Welt vergossen worden ist, an diesem Geschlecht gerächt werde,
51vom Blute Abels an bis zum Blute Sacharjas, der zwischen dem Brandopferaltar und dem Tempelhause den Tod erlitten hat.‹ Ja, ich sage euch: es wird an diesem Geschlecht gerächt werden!
52Wehe euch Gesetzeslehrern! Ihr habt den Schlüssel zur Erkenntnis (des Heils) weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die, welche hineingehen wollten, habt ihr daran gehindert.«

53Als er dann von dort weggegangen war, begannen die Schriftgelehrten und Pharisäer ihm mit Erbitterung zuzusetzen und ihn über immer mehr Dinge auszufragen,
54wobei sie ihn belauerten, um ein (unbedachtes) Wort aus seinem Munde aufzufangen.

11. Warnungen und Mahnungen Jesu an die Jünger

a) Warnung vor pharisäischer Heuchelei

12
1Als sich unterdessen eine Volksmenge von vielen Tausenden angesammelt hatte, so daß sie einander auf die Füße traten, begann er, zuerst zu seinen Jüngern zu sagen: »Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das heißt vor der Heuchelei! –
2Nichts aber ist verhüllt, das nicht enthüllt werden wird, und nichts verborgen, was nicht bekannt werden wird.
3Daher wird alles, was ihr im Dunkeln geredet habt, im Licht (der Öffentlichkeit) gehört werden; und was ihr in den Kammern ins Ohr geflüstert habt, wird auf den Dächern ausgerufen werden.«

b) Warnung vor Menschenfurcht

4»Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib zwar töten, danach aber euch nichts weiter antun können!
5Ich will euch aber angeben, vor wem ihr euch zu fürchten habt: Fürchtet euch vor dem, der die Macht besitzt zu töten und dann auch noch in die Hölle zu werfen! Ja, ich sage euch: Vor diesem fürchtet euch! –
6Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Kupferstücke? Und doch ist kein einziger von ihnen bei Gott vergessen.
7Nun sind aber (bei euch) sogar die Haare auf eurem Haupt alle gezählt. Fürchtet euch nicht: ihr seid mehr wert als viele Sperlinge!

8Ich sage euch aber: Wer sich zu mir vor den Menschen bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen;
9wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden.«

c) Warnung vor Lästerung des heiligen Geistes; Hinweis auf den Beistand des Geistes

10»Und wer immer ein Wort gegen den Menschensohn ausspricht, der wird Vergebung finden; wer aber gegen den heiligen Geist eine Lästerung begeht, der wird keine Vergebung finden. –
11Wenn man euch aber vor die Synagogen und vor die Obrigkeiten und die Behörden stellt, so macht euch keine Sorge darüber, wie oder womit ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt!
12Denn der heilige Geist wird euch in eben der Stunde lehren, was ihr sagen sollt.«

12. Über die rechte Stellung zu den Dingen dieser Welt

a) Warnung vor Einmischung in irdische Händel

13Es sagte aber einer aus der Volksmenge zu ihm: »Meister, sage doch meinem Bruder, er solle die Erbschaft mit mir teilen!«
14Jesus aber antwortete ihm: »Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschaftsteiler über euch bestellt?«

b) Warnung vor Habsucht; Gleichnis vom reichen Toren

15Dann fuhr er fort: »Seht euch vor und hütet euch vor aller Habsucht! Denn wenn jemand auch Überfluß hat, so ist das Leben für ihn doch durch all sein Besitztum nicht gesichert

16Er legte ihnen dann folgendes Gleichnis vor: »Einem reichen Manne hatten seine Felder eine ergiebige Ernte gebracht.
17Da überlegte er bei sich folgendermaßen: ›Was soll ich tun? Ich habe keinen Raum, meine Ernte unterzubringen.‹
18Dann sagte er: ›So will ich’s machen: Ich will meine Scheunen abreißen und größere bauen und dort meinen gesamten Ernteertrag und meine Güter unterbringen
19und will dann zu meiner Seele sagen: Liebe Seele, du hast nun einen reichen Vorrat auf viele Jahre daliegen; gönne dir also Ruhe, iß und trink und laß dir’s wohl sein!‹
20Aber Gott sprach zu ihm: ›Du Narr! Noch in dieser Nacht fordert man dir deine Seele ab; wem wird dann das gehören, was du aufgespeichert hast?‹
21So geht es jedem, der für sich selbst Schätze sammelt und nicht reich für Gott ist.«

c) Der Jünger Stellung zum Sorgen und irdischen Gut

22Weiter sagte er zu seinen Jüngern: »Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt um euer Leben, was ihr essen sollt, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen sollt!
23Das Leben ist doch wertvoller als die Nahrung und der Leib wertvoller als die Kleidung.
24Sehet die Raben an: sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keine Vorratskammern und keine Scheunen, und Gott ernährt sie doch. Wieviel mehr seid ihr doch wert als die Vögel!
25Wer aber von euch vermöchte durch all seine Sorgen der Länge seiner Lebenszeit auch nur eine Spanne zuzusetzen?
26Wenn ihr also nicht einmal etwas ganz Geringes vermögt, wozu macht ihr euch da Sorge um das Übrige?
27Sehet die Lilien an, wie sie weder spinnen noch weben, und doch sage ich euch: Auch Salomo in aller seiner Pracht ist nicht so herrlich gekleidet gewesen wie eine von diesen.
28Wenn nun Gott das Gras auf dem Felde, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet: wieviel eher wird er es euch tun, ihr Kleingläubigen!
29So fragt denn auch ihr nicht ängstlich, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und regt euch nicht darüber auf!
30Denn nach allen diesen Dingen trachten die Heidenvölker der Welt; euer Vater weiß ja, daß ihr dies bedürft.
31Trachtet vielmehr nach seinem Reich, dann wird euch dieses obendrein gegeben werden.
32Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn eurem Vater hat es gefallen, euch das Reich (Gottes) zu geben.
33Verkauft euren Besitz und gebt ihn als Almosen hin! Verschafft euch Geldbeutel, die sich nicht abnützen, einen Schatz, der nie zu Ende geht, im Himmel, wo kein Dieb hineinkommt und keine Motte etwas zernagt!
34Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.«

13. Mahnungen zur Wachsamkeit und Bereitschaft; Gleichnis von den treuen Knechten und vom bösen Knecht

35»Laßt eure Hüften gegürtet sein und eure Lampen brennen!
36Denn ihr sollt Leuten gleichen, die auf ihren Herrn warten, wann er vom Hochzeitsmahl heimkehren werde, um ihm, wenn er kommt und anklopft, sogleich zu öffnen.
37Selig zu preisen sind solche Knechte, die der Herr bei seiner Rückkehr wachend antrifft! Wahrlich ich sage euch: Er wird sich das Gewand hochschürzen, wird sie sich zu Tische setzen lassen und herantreten, um sie zu bedienen.
38Und mag er erst in der zweiten oder in der dritten Nachtwache kommen und sie so vorfinden: selig sind sie zu preisen!
39Das aber seht ihr ein: Wenn der Hausherr wüßte, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er keinen Einbruch in sein Haus zulassen.
40Darum haltet auch ihr euch bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht vermutet.«

41Da fragte Petrus: »Herr, hast du dies Gleichnis nur für uns bestimmt oder auch für alle anderen?«
42Der Herr antwortete: »Wer ist demnach der treue Haushalter, der kluge, den sein Herr über seine Dienerschaft setzen wird, damit er ihnen das gebührende Speisemaß zu rechter Zeit gebe?
43Selig zu preisen ist ein solcher Knecht, den sein Herr bei seiner Rückkehr in solcher Tätigkeit findet.
44Wahrlich ich sage euch: Über seine sämtlichen Güter wird er ihn setzen.
45Wenn aber ein solcher Knecht in seinem Herzen denkt: ›Mein Herr kommt noch lange nicht!‹ und dann anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen, zu schmausen und zu zechen und sich zu betrinken:
46so wird der Herr eines solchen Knechtes an einem Tage kommen, an dem er ihn nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt; und wird ihn zerhauen lassen und ihm seinen Platz bei den Ungetreuen anweisen.
47Ein solcher Knecht aber, der den Willen seines Herrn gekannt und doch nichts ausgeführt und nichts nach seinem Willen getan hat, wird viele Schläge erhalten;
48wer dagegen seinen Willen nicht gekannt und Dinge getan hat, die Züchtigung verdienen, wird nur wenige Schläge erhalten. Wem aber viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert werden, und wem viel anvertraut ist, von dem wird man auch um so mehr verlangen.«

14. Mahnung, auf Gottes Weg zu achten

a) Jesus bringt ein Feuer und den Zwiespalt auf die Erde

49»Ich bin dazu gekommen, ein Feuer auf die Erde zu werfen, und was sollte ich lieber wünschen, als daß es schon brennte!
50Doch mit einer Taufe habe ich mich (vorher) noch taufen zu lassen, und wie ist mir so bange (und doch zugleich: wie drängt es mich), bis sie vollzogen ist!
51Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, vielmehr Zwiespalt.
52Denn von nun an werden fünf, die in einem Hause wohnen, entzweit sein: drei werden gegen zwei und zwei gegen drei stehen,
53der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.«

b) Die Zeichen der Zeit mahnen zum Ernst, auf Rettung der Seele bedacht zu sein

54Dann sagte er auch noch zu der Volksmenge: »Wenn ihr Gewölk im Westen aufsteigen seht, dann sagt ihr sogleich: ›Es gibt Regen‹, und es kommt auch so;
55und wenn ihr den Südwind wehen seht, so sagt ihr: ›Es wird heiß werden‹, und es kommt auch so.
56Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels versteht ihr richtig zu beurteilen; wie kommt es denn, daß ihr die gegenwärtige Zeit nicht richtig beurteilt?
57Warum könnt ihr auch nicht von euch selbst aus zu einem Urteil über das, was recht ist, gelangen?
58Denn wenn du mit deinem Widersacher vor Gericht gehst, so gib dir noch unterwegs Mühe, dich gütlich mit ihm abzufinden, damit er dich nicht etwa vor den Richter schleppt und der Richter dich dem Gerichtsdiener übergibt und der Gerichtsdiener dich ins Gefängnis wirft.
59Ich sage dir: du wirst von dort sicherlich nicht loskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast.«

15. Bußmahnungen an die für das Gericht reifen Volksgenossen; Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum

13
1Es waren aber zu eben dieser Zeit einige Leute (bei ihm) eingetroffen, die ihm von den Galiläern erzählten, deren Blut Pilatus zusammen mit dem ihrer Schlachtopfer vergossen hatte.
2Da antwortete ihnen Jesus: »Meint ihr etwa, diese Galiläer seien größere Sünder gewesen als alle anderen Galiläer, weil sie dies Schicksal erlitten haben?
3Nein, sage ich euch; sondern wenn ihr euren Sinn nicht ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen.
4Oder meint ihr, daß jene achtzehn, auf die der Turm am (Teich) Siloah gestürzt ist und sie erschlagen hat, schuldbeladener gewesen seien als alle anderen Bewohner von Jerusalem?
5Nein, sage ich euch; sondern wenn ihr euren Sinn nicht ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen.«

6Er sagte ihnen dann noch folgendes Gleichnis: »Jemand hatte einen Feigenbaum in seinem Weinberge stehen, und er kam und suchte Frucht an ihm, fand jedoch keine.
7Da sagte er zu dem Weingärtner: ›Sieh, ich komme nun schon drei Jahre her und suche Frucht an diesem Feigenbaum, finde jedoch keine; haue ihn ab! Wozu soll er noch den Platz wegnehmen?‹
8Da antwortete ihm jener: ›Herr, laß ihn noch dieses Jahr stehen! Ich will noch einmal das Land um ihn herum graben und ihn düngen:
9vielleicht bringt er künftig doch noch Frucht; andernfalls laß ihn umhauen!‹«

16. Eine Krankenheilung am Sabbat; Streit über Sabbatheiligung

10Jesus lehrte einst in einer der Synagogen am Sabbat.
11Da war gerade eine Frau anwesend, die schon seit achtzehn Jahren einen Geist der Schwäche hatte; sie war zusammengekrümmt und unfähig, sich ordentlich aufzurichten.
12Als Jesus sie erblickte, rief er sie herbei und sagte zu ihr: »Frau, du bist von deiner Schwäche befreit!«
13Dann legte er ihr die Hände auf, und sie richtete sich augenblicklich gerade empor und pries Gott.
14Weil nun der Vorsteher der Synagoge unwillig darüber war, daß Jesus am Sabbat eine Heilung vollzogen hatte, sagte er zu der (versammelten) Menge: »Sechs Tage sind da, an denen man arbeiten soll; an diesen also kommt und laßt euch heilen, aber nicht (gerade) am Sabbattage!«
15Der Herr aber antwortete ihm mit den Worten: »Ihr Heuchler! Bindet nicht ein jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke?
16Diese Frau aber, eine Tochter Abrahams, die der Satan nun schon achtzehn Jahre lang in Fesseln gehalten hat, die sollte von dieser Fessel am Sabbattage nicht befreit werden dürfen?«
17Durch diese seine Worte wurden alle seine Gegner beschämt; die ganze Volksmenge aber freute sich über alle die herrlichen Taten, die durch ihn geschahen.

17. Zwei Himmelreichsgleichnisse (vom Senfkorn und vom Sauerteig)

18Dann sagte er: »Wem ist das Reich Gottes gleich, und womit soll ich es vergleichen?
19Es ist einem Senfkorn gleich, das ein Mann nahm und in seinem Garten einlegte; dort wuchs es und wurde zu einem Baume, und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.«

20Und weiter sagte er: »Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen?
21Es ist einem Sauerteig gleich, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte, bis der ganze Teig durchsäuert war.«

18. Jesus auf dem Wege nach Jerusalem

a) Mahnung zum eifrigen und rechtzeitigen Trachten nach dem Gottesreich; die enge Pforte; Wertlosigkeit einer bloß äußerlichen Zugehörigkeit zu Jesus

22So wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, indem er lehrte und seine Wanderung nach Jerusalem vollzog.
23Da fragte ihn jemand: »Herr, es sind wohl nur wenige, die gerettet werden?« Er antwortete ihnen:
24»Ringet danach, durch die enge Pforte einzugehen! Denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen suchen und es nicht vermögen.
25Wenn ihr erst dann, nachdem der Hausherr sich schon erhoben und die Tür abgeschlossen hat, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen beginnt und ihm zuruft: ›Herr, mache uns auf!‹, so wird er euch antworten: ›Ich weiß von euch nicht, woher ihr seid.‹
26Dann werdet ihr anfangen zu versichern: ›Wir haben doch vor deinen Augen (mit dir) gegessen und getrunken, und du hast bei uns auf den Straßen gelehrt‹;
27aber er wird erwidern: ›Ich sage euch: ich weiß nicht, woher ihr seid; hinweg von mir alle, die ihr die Ungerechtigkeit übt!‹
28Dort wird’s dann ein lautes Weinen und Zähneknirschen geben, wenn ihr Abraham, Isaak, Jakob und alle Propheten im Reiche Gottes sehen werdet, während ihr selbst hinausgestoßen seid.
29Und sie werden von Osten und Westen, von Norden und Süden kommen und sich im Reiche Gottes zum Mahl niedersetzen.
30Und wisset wohl: Es gibt Letzte, die werden Erste sein, und es gibt Erste, die werden Letzte sein.«

b) Des Herodes Versuch der Einschüchterung Jesu vereitelt; Bedrohung Jerusalems

31In eben dieser Stunde traten einige Pharisäer herzu und sagten zu ihm: »Entferne dich von hier und ziehe weiter, denn Herodes will dich töten!«
32Doch er antwortete ihnen: »Geht hin und meldet diesem Fuchs: ›Wisse wohl: ich treibe böse Geister aus und vollführe Heilungen heute noch und morgen, und übermorgen komme ich damit zum Abschluß.
33Jedoch heute und morgen und übermorgen muß ich weiterziehen; denn es geht nicht an, daß ein Prophet anderswo als in Jerusalem ums Leben kommt.‹
34Jerusalem, Jerusalem, das du die Propheten tötest und die steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt, doch ihr habt nicht gewollt!
35Seht, euer Haus wird euch nun überlassen. Ich sage euch aber: Ihr werdet mich nicht sehen, bis die Zeit kommt, wo ihr ausruft: ›Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‹«

19. Jesus beim Pharisäergastmahl

a) Neuer Streit wegen einer Krankenheilung am Sabbat

14
1Als er dann an einem Sabbat in das Haus eines der Obersten der Pharisäer gekommen war, um dort am Mahl teilzunehmen, lauerten sie ihm auf.
2Und siehe, ein wassersüchtiger Mann erschien dort vor ihm.
3Da richtete Jesus die Frage an die Gesetzeslehrer und Pharisäer: »Darf man am Sabbat heilen oder nicht?«
4Sie aber schwiegen. Da faßte er ihn an, heilte ihn und hieß ihn gehen.
5Hierauf sagte er zu ihnen: »Wem von euch wird sein Sohn oder sein Rind in einen Brunnen fallen, und er wird ihn nicht sofort auch am Sabbattage herausziehen?«
6Und sie vermochten ihm auf diese Frage keine widersprechende Antwort zu geben.

b) Tischgespräche (über Bescheidenheit und rechte Gastfreiheit)

7Er legte aber den Gästen ein Gleichnis vor, weil er beobachtete, wie sie sich die obersten Plätze aussuchten, und sagte zu ihnen:
8»Wenn du von jemand zu einem Festmahl eingeladen bist, so setze dich nicht obenan; es könnte sonst jemand, der noch vornehmer ist als du, von ihm geladen sein,
9und dann würde der, welcher dich und ihn geladen hat, kommen und zu dir sagen: ›Tritt diesem da den Platz ab!‹, und du müßtest dich alsdann dazu verstehen, beschämt untenan zu sitzen.
10Nein, wenn du eingeladen bist, so gehe hin und setze dich untenan; dann wird der Gastgeber kommen und zu dir sagen: ›Freund, rücke weiter nach oben!‹, dann wirst du in den Augen aller deiner Tischgenossen geehrt dastehen.
11Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.«

12Er sagte dann auch zu dem, der ihn eingeladen hatte: »Wenn du ein Mittagsmahl oder ein Abendessen veranstaltest, so lade nicht deine Freunde und deine Brüder, nicht deine Verwandten und reichen Nachbarn dazu ein; sonst laden auch sie dich wieder ein, und dir wird Gleiches mit Gleichem vergolten.
13Nein, wenn du ein Gastmahl veranstalten willst, so lade Arme und Krüppel, Lahme und Blinde dazu ein,
14dann wirst du glückselig sein, weil sie es dir nicht vergelten können; denn es wird dir bei der Auferstehung der Gerechten vergolten werden.«

c) Das Gleichnis vom großen Gastmahl

15Als einer von den Tischgenossen dies hörte, sagte er zu ihm: »Glückselig ist, wer am Mahl im Reiche Gottes teilnehmen wird!«
16Jesus aber antwortete ihm: »Ein Mann veranstaltete ein großes Gastmahl und lud viele dazu ein.
17Er sandte dann seinen Knecht zur Stunde des Gastmahls aus und ließ den Geladenen sagen, sie möchten kommen, denn es sei nunmehr alles bereit.
18Da begannen alle ohne Ausnahme sich zu entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: ›Ich habe einen Acker gekauft und muß notwendigerweise hingehen, um ihn zu besichtigen; ich bitte dich: sieh mich als entschuldigt an!‹
19Ein anderer sagte: ›Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und muß hingehen, um sie zu erproben; ich bitte dich: sieh mich als entschuldigt an!‹
20Wieder ein anderer sagte: ›Ich habe mich verheiratet, kann also nicht kommen.‹
21Als nun der Knecht zurückkam, berichtete er dies seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und gab seinem Knecht die Weisung: ›Gehe schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und bringe die Armen und Krüppel, die Blinden und Lahmen hierher.‹
22Der Knecht meldete dann: ›Herr, dein Befehl ist ausgeführt, doch es ist noch Platz vorhanden.‹
23Da sagte der Herr zu dem Knecht: ›Gehe auf die Landstraßen und an die Zäune hinaus und nötige die Leute dort hereinzukommen, damit mein Haus voll werde!
24Denn ich sage euch: Keiner von jenen Männern, die (zuerst) geladen waren, wird mein Gastmahl zu kosten bekommen.‹«

20. Von den Bedingungen der Jüngerschaft und vom Ernst der Nachfolge Jesu

25Es zogen aber große Volksscharen mit ihm; da wandte er sich um und sagte zu ihnen:
26»Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und seine Mutter, sein Weib und seine Kinder, seine Brüder und seine Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben haßt, so kann er nicht mein Jünger sein.
27Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.«

Mahnung zu ernster Prüfung und Warnung vor übereilter Nachfolge; der Ausspruch vom Salz

28»Denn wer unter euch, der einen Turm zu bauen beabsichtigt, setzt sich nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob er auch die Mittel zur Ausführung des Planes habe?
29Sonst, wenn er den Grund gelegt hat, und er den Bau nicht zu Ende führen kann, werden alle, die es sehen, anfangen über ihn zu spotten
30und werden sagen: ›Dieser Mensch hat den Bau begonnen, doch ihn nicht zu Ende führen können.‹
31Oder welcher König, der zum Kriege mit einem andern König ausziehen will, setzt sich nicht zuerst hin und geht mit sich zu Rat, ob er imstande ist, mit zehntausend Mann dem entgegenzutreten, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?
32Sonst muß er, solange jener noch weit entfernt ist, eine Gesandtschaft an ihn schicken und um Friedensverhandlungen bitten.
33Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, der sich nicht von allem lossagt, was er besitzt. –
34Das Salz ist also etwas Gutes; wenn aber einmal auch das Salz fade geworden ist, womit soll man es wieder zu Salz machen?
35Weder für den Acker noch für den Düngerhaufen ist es brauchbar: man wirft es eben aus dem Hause hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre!«

21. Drei Gleichnisse von der Sünderliebe Jesu

a) Einleitung; Gleichnisse vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Silberstück

15
1Es waren aber gerade die Zöllner und Sünder die, die ihm nahe zu kommen suchten, um ihn zu hören.
2Darüber murrten die Pharisäer und die Schriftgelehrten laut und sagten: »Dieser nimmt Sünder (in seine Umgebung) auf und ißt mit ihnen.«
3Da antwortete ihnen Jesus durch folgendes Gleichnis:
4»Wo ist jemand unter euch, der hundert Schafe besitzt und, wenn ihm eins von ihnen verloren geht, nicht die neunundneunzig in der Einöde zurückläßt und dem verlorenen nachgeht, bis er es findet?
5Wenn er es dann gefunden hat, nimmt er es voller Freude auf seine Schultern
6und ruft, wenn er nach Hause gekommen ist, seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: ›Freuet euch mit mir! Denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren gegangen war.‹
7Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt, mehr Freude herrschen als über neunundneunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen.

8Oder wo ist eine Frau, die zehn Drachmen besitzt und, wenn sie eine von ihnen verliert, nicht ein Licht anzündet und das Haus fegt und eifrig sucht, bis sie (das Geldstück) findet?
9Wenn sie es dann gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: ›Freuet euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte.‹
10Ebenso, sage ich euch, herrscht Freude bei den Engeln Gottes über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt.«

b) Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (bzw. von den zwei verlorenen Söhnen)

11Dann fuhr er fort: »Ein Mann hatte zwei Söhne.
12Der jüngere von ihnen sagte zum Vater: ›Vater, gib mir den auf mich entfallenden Teil des Vermögens!‹ Da verteilte jener das Hab und Gut unter sie.
13Kurze Zeit darauf packte der jüngere Sohn alles, was ihm gehörte, zusammen und zog in ein fernes Land; dort brachte er sein Vermögen in einem ausschweifenden Leben durch.
14Als er nun alles aufgebraucht hatte, entstand eine schwere Hungersnot in jenem Lande, und auch er begann Not zu leiden.
15Da ging er hin und stellte sich einem der Bürger jenes Landes zur Verfügung; der schickte ihn auf seine Felder, die Schweine zu hüten,
16und er hätte sich gern an den Schoten des Johannesbrotbaumes satt gegessen, welche die Schweine als Futter bekamen, doch niemand gab sie ihm.
17Da ging er in sich und sagte: ›Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluß, während ich hier vor Hunger umkomme!
18Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gegen den Himmel und dir gegenüber gesündigt;
19ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen: halte mich wie einen von deinen Tagelöhnern.‹
20So machte er sich denn auf den Weg zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater kommen und fühlte Mitleid: er eilte (ihm entgegen), fiel ihm um den Hals und küßte ihn.
21Da sagte der Sohn zu ihm: ›Vater, ich habe gegen den Himmel und dir gegenüber gesündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen!‹
22Der Vater aber befahl seinen Knechten: ›Holt schnell das beste Gewand aus dem Hause und legt es ihm an; gebt ihm auch einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße
23und bringt das gemästete Kalb her, schlachtet es und laßt uns essen und fröhlich sein!
24Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden!‹ Und sie fingen an, fröhlich zu sein.

25Sein älterer Sohn aber war währenddessen auf dem Felde. Als er nun heimkehrte und sich dem Hause näherte, hörte er Musik und Reigenchöre.
26Da rief er einen von den Knechten herbei und erkundigte sich, was das zu bedeuten habe.
27Der gab ihm zur Antwort: ›Dein Bruder ist heimgekommen; da hat dein Vater das gemästete Kalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiedererhalten hat.‹
28Da wurde er zornig und wollte nicht ins Haus hineingehen; sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
29Da antwortete er dem Vater: ›Du weißt: schon so viele Jahre diene ich dir und habe noch nie ein Gebot von dir übertreten; doch mir hast du noch nie auch nur ein Böcklein gegeben, daß ich mit meinen Freunden ein fröhliches Mahl hätte halten können.
30Nun aber dieser dein Sohn heimgekehrt ist, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du ihm das Mastkalb schlachten lassen!‹
31Er aber erwiderte ihm: ›Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.
32Wir mußten doch fröhlich sein und uns freuen! Denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren gegangen und ist wiedergefunden worden.‹«

22. Vermahnung der Jünger

a) Gleichnis vom untreuen, aber klugen Verwalter

16
1Er sagte dann noch zu seinen Jüngern: »Es war ein reicher Mann, der einen Verwalter hatte; über diesen wurde ihm hinterbracht, daß er ihm sein Vermögen veruntreue.
2Da ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: ›Was muß ich da über dich hören? Lege Rechnung ab über deine Verwaltung, denn du kannst nicht länger mein Verwalter sein!‹
3Da überlegte der Verwalter bei sich: ›Was soll ich tun, da mein Herr mir die Verwaltung abnimmt? Zum Graben bin ich zu schwach, und zu betteln schäme ich mich.
4Nun, ich weiß schon, was ich tun will, damit die Leute mich, wenn ich meines Amtes enthoben bin, in ihre Häuser aufnehmen.‹
5Er ließ also die Schuldner seines Herrn alle einzeln zu sich kommen und fragte den ersten: ›Wieviel bist du meinem Herrn schuldig?‹
6Der antwortete: ›Hundert Tonnen Öl.‹ Da sagte er zu ihm: ›Nimm hier deinen Pachtvertrag, setze dich hin und schreibe schnell fünfzig!‹
7Darauf fragte er einen andern: ›Du aber, wieviel bist du schuldig?‹ Der antwortete: ›Hundert Zentner Weizen.‹ Er sagte zu ihm: ›Nimm hier deinen Pachtvertrag und schreibe achtzig.‹«
8Und der Herr lobte den unehrlichen Verwalter, daß er klug gehandelt habe; denn – sagte er – »die Kinder dieser Weltzeit sind im Verkehr mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.
9Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er euch ausgeht, ihr Aufnahme in den ewigen Hütten findet.«

b) Vom Wert der irdischen und der himmlischen Güter und von der Treue

10»Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und wer im Kleinsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht.
11Wenn ihr euch nun in der Verwaltung des ungerechten Mammons nicht treu erwiesen habt, wer wird euch da das wahre Gut anvertrauen?
12Und wenn ihr euch am fremden Gut nicht treu erwiesen habt, wer wird euch da euer eigenes geben?
13Kein Knecht kann zwei Herren (zugleich) dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern mißachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und (zugleich) dem Mammon.«

23. Verwarnung der Pharisäer

a) Jesus weist die habgierigen und spottenden Pharisäer zurecht

14Dies alles hörten aber die Pharisäer, die geldgierig waren, und rümpften die Nase über ihn.
15Da sagte er zu ihnen: »Ihr seid die Leute, die sich selbst vor den Menschen als gerecht hinstellen, Gott aber kennt eure Herzen; denn was vor den Menschen hoch dasteht, ist ein Greuel vor Gott.
16Das Gesetz und die Propheten (reichen) bis auf Johannes; von da an wird das Reich Gottes durch die Heilsbotschaft verkündigt, und ein jeder drängt sich mit Gewalt hinein.
17Es ist aber eher möglich, daß Himmel und Erde vergehen, als daß vom Gesetz ein einziges Strichlein hinfällig wird.
18Wer seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch, und wer eine von ihrem Gatten entlassene Frau heiratet, begeht auch Ehebruch.«

b) Erzählung vom reichen Mann und vom armen Lazarus

19»Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbare Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
20Ein Armer aber namens Lazarus lag vor seiner Türhalle; der war mit Geschwüren bedeckt
21und hatte nur den Wunsch, sich von den Abfällen vom Tisch des Reichen zu sättigen; aber es kamen sogar die Hunde herbei und beleckten seine Geschwüre.
22Nun begab es sich, daß der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde; auch der Reiche starb und wurde begraben.
23Als dieser nun im Totenreich, wo er Qualen litt, seine Augen aufschlug, erblickte er Abraham in der Ferne und Lazarus in seinem Schoß.
24Da rief er mit lauter Stimme: ›Vater Abraham! Erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle! Denn ich leide Qualen in dieser Feuerglut.‹
25Aber Abraham antwortete: ›Mein Sohn, denke daran, daß du dein Gutes während deines Erdenlebens empfangen hast, und Lazarus gleicherweise das Üble; jetzt aber wird er hier getröstet, während du Qualen leiden mußt.
26Und zu alledem ist zwischen uns und euch eine große Kluft festgelegt, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können und man auch von dort nicht zu uns herüberkommen kann.‹
27Da erwiderte er: ›So bitte ich dich denn, Vater: sende ihn in meines Vaters Haus –
28denn ich habe noch fünf Brüder –, damit er sie ernstlich warne, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen.‹
29Abraham aber antwortete: ›Sie haben Mose und die Propheten; auf diese mögen sie hören!‹
30Jener jedoch entgegnete: ›Nein, Vater Abraham! Sondern wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, dann werden sie sich bekehren.‹
31Abraham aber antwortete ihm: ›Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.‹«

24. Gespräche Jesu mit den Jüngern

a) Warnung vor Verführungen (zum Unglauben und zur Sünde) und Mahnung zum Vergeben

17
1Weiter sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Es kann nicht anders sein, als daß Ärgernisse kommen; wehe aber dem, durch den sie kommen!
2Es wäre besser für ihn, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gelegt und er ins Meer geworfen wäre, als daß er für einen von diesen geringen Leuten zum Ärgernis wird. –
3Gebt auf euch selbst acht! Wenn dein Bruder sich (gegen dich) vergangen hat, so halte es ihm vor; und wenn er es bereut, so vergib ihm.
4Selbst wenn er sich siebenmal am Tage gegen dich vergeht und siebenmal wieder zu dir kommt und erklärt: ›Es tut mir leid!‹, so sollst du ihm vergeben.«

b) Von der Kraft des Glaubens

5Die Apostel baten alsdann den Herrn: »Mehre uns den Glauben!«
6Da antwortete der Herr: »Wenn ihr Glauben wie ein Senfkorn hättet und ihr diesem Maulbeerbaum gebötet: ›Entwurzle dich und verpflanze dich ins Meer!‹, so würde er euch gehorsam sein.«

c) Gleichnis vom Herrn und seinem zur Arbeit verpflichteten Knecht (Gegen die Lohnsucht)

7»Wer von euch aber, der einen Knecht beim Pflügen oder beim Viehhüten hat, wird zu ihm bei seiner Heimkehr vom Felde sagen: ›Komm sogleich her und setze dich zu Tisch!‹?
8Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: ›Bereite mir mein Abendessen, schürze dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; nachher magst auch du essen und trinken‹?
9Er wird doch wohl dem Knecht nicht noch dankbar dafür sein, daß er die ihm erteilten Befehle ausgeführt hat?
10Ebenso steht’s auch bei euch: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, so sagt: ›Wir sind armselige Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.‹«

25. Heilung von zehn Aussätzigen; der dankbare Samariter

11Auf seiner Wanderung nach Jerusalem durchzog Jesus das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa.
12Als er dort in ein Dorf eintrat, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen, die in der Ferne stehen blieben
13und ihre Stimme erhoben und riefen: »Jesus, (lieber) Meister, erbarme dich unser!«
14Als er sie erblickte, sagte er zu ihnen: »Geht hin und zeigt euch den Priestern.« Während sie dann hingingen, wurden sie rein.
15Einer von ihnen aber, als er sich geheilt sah, kehrte zurück, pries Gott mit lauter Stimme,
16warf sich zu Jesu Füßen auf sein Angesicht nieder und dankte ihm; und das war ein Samariter.
17Da sagte Jesus: »Sind ihrer nicht zehn rein geworden? Wo sind denn die anderen neun?
18Hat sich sonst keiner gefunden, der zurückgekehrt ist, um Gott die Ehre zu geben, außer diesem Fremdling?«
19Zu ihm sagte er dann: »Stehe auf und gehe! Dein Glaube hat dir Rettung verschafft.«

26. Rede vom Kommen des Gottesreiches und von der Erscheinung des Menschensohnes an seinem Tage

20Als er aber von den Pharisäern aufs neue gefragt wurde, wann das Reich Gottes käme, gab er ihnen zur Antwort: »Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichem Gebaren;
21man wird auch nicht sagen können: ›Siehe, hier ist es!‹ oder ›dort ist es!‹ Denn wisset wohl: Das Reich Gottes ist (bereits) mitten unter euch.«
22Weiter sagte er zu seinen Jüngern: »Es werden Tage kommen, wo ihr euch danach sehnen werdet, einen einzigen von den Tagen des Menschensohnes zu sehen, doch ihr werdet ihn nicht sehen.
23Und wird man dann zu euch sagen: ›Seht dort! Seht hier!‹, so geht nicht hin und gebt nichts darauf!
24Denn wie der Blitz, wenn er aufblitzt, am Himmel hin von einem Ende bis zum andern leuchtet, so wird es auch mit dem Menschensohn an seinem Tage sein.
25Zuerst muß er aber noch vieles leiden und von diesem Geschlecht verworfen werden.
26Und wie es in den Tagen Noahs zugegangen ist, so wird es auch in den Tagen des Menschensohnes sein:
27Man aß und trank, man heiratete und wurde verheiratet bis zu dem Tage, an welchem Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und allen den Untergang brachte.
28Ebenso wie es in den Tagen Lots zugegangen ist: Man aß und trank, man kaufte und verkaufte, man pflanzte und baute;
29aber an dem Tage, an welchem Lot aus Sodom wegging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vernichtete alle –
30ebenso wird es auch an dem Tage sein, an welchem der Menschensohn sich offenbart.
31Wer an diesem Tage auf dem Dache ist, während seine Geräte sich im Hause befinden, der steige nicht erst noch hinab, um sie zu holen; und ebenso, wer auf dem Felde ist, kehre nicht zurück!
32Denkt an Lots Frau!
33Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren, und wer es verliert, dem wird es erhalten bleiben.
34Ich sage euch: In der betreffenden Nacht werden zwei (Männer) auf einem Lager liegen: der eine wird angenommen, der andere zurückgelassen werden;
35zwei (Frauen) werden an derselben Handmühle mahlen: die eine wird angenommen, die andere zurückgelassen werden.«
37Da erwiderten ihm die Jünger mit der Frage: »Herr, wo denn?« Er aber antwortete ihnen: »Wo das Aas liegt, da sammeln sich auch die Geier.«

27. Gleichnis vom gottlosen Richter und der bittenden Witwe (von der Kraft des anhaltenden Gebets)

18
1Er legte ihnen dann ein Gleichnis vor, um sie darauf hinzuweisen, daß man allezeit beten müsse und nicht müde darin werden dürfe.
2»In einer Stadt«, so sagte er, »lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3Nun wohnte in jener Stadt eine Witwe, die (immer wieder) zu ihm kam mit dem Anliegen: ›Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!‹
4Lange Zeit wollte er nicht; schließlich aber dachte er bei sich: ›Wenn ich auch Gott nicht fürchte und auf keinen Menschen Rücksicht nehme,
5will ich dieser Witwe doch zu ihrem Recht verhelfen, weil sie mir lästig fällt; sonst kommt sie schließlich noch und wird handgreiflich gegen mich.‹«
6Dann fuhr der Herr fort: »Hört, was (hier) der ungerechte Richter sagt!
7Sollte nun Gott nicht auch seinen Auserwählten Recht schaffen, die Tag und Nacht zu ihm rufen, auch wenn er Langmut bei ihnen übt?
8Ich sage euch: Er wird ihnen gar bald ihr Recht schaffen! Doch wird wohl der Menschensohn bei seinem Kommen den Glauben auf Erden vorfinden?«

28. Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner

9Er legte dann auch einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und auf die anderen mit Geringschätzung herabsahen, folgendes Gleichnis vor:
10»Zwei Männer gingen in den Tempel hinauf, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11Der Pharisäer trat hin und betete bei sich so: ›O Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die anderen Menschen, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie der Zöllner dort.
12Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe.‹
13Der Zöllner dagegen stand von ferne und mochte nicht einmal die Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und sagte: ›Gott, sei mir Sünder gnädig!‹
14Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus hinab, ganz anders, als es bei jenem der Fall war! Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.«

29. Jesus segnet die Kinder

15Die Leute brachten aber auch ihre kleinen Kinder zu ihm, damit er sie anrühre; als die Jünger das sahen, verwiesen sie es ihnen in barscher Weise.
16Jesus aber rief sie zu sich heran und sagte: »Laßt die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran,
17denn für ihresgleichen ist das Reich Gottes bestimmt. Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird sicherlich nicht hineinkommen.«

30. Jesu Gespräch mit dem reichen Vorsteher; von der Gefahr des Reichtums

18Hierauf richtete ein Oberster die Frage an ihn: »Guter Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu ererben
19Jesus antwortete ihm: »Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.
20Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis ablegen, ehre deinen Vater und deine Mutter!«
21Darauf erwiderte jener: »Dies alles habe ich von Jugend an gehalten.«
22Als Jesus das hörte, sagte er zu ihm: »Eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du besitzest, und verteile den Erlös an die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.«
23Als jener das hörte, wurde er tief betrübt; denn er war sehr reich.
24Als Jesus ihn so sah, sagte er: »Wie schwer ist es doch für die Begüterten, in das Reich Gottes einzugehen!
25Ja, es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurchgeht, als daß ein Reicher in das Reich Gottes eingeht.«
26Da sagten die Zuhörer: »Ja, wer kann dann gerettet werden?«
27Jesus aber antwortete: »Was bei Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.«

31. Vom Lohn der Entsagung (bzw. der Nachfolge Jesu)

28Darauf sagte Petrus: »Siehe, wir haben alles Unsrige verlassen und sind dir nachgefolgt.«
29Da sagte Jesus zu ihnen: »Wahrlich ich sage euch: Niemand hat Haus oder Weib, Geschwister, Eltern oder Kinder um des Reiches Gottes willen verlassen,
30der nicht vielmal Wertvolleres wiederempfinge (schon) in dieser Zeitlichkeit, und in der zukünftigen Weltzeit ewiges Leben.«

32. Aufbruch nach Jerusalem; dritte Leidensankündigung Jesu

31Er nahm dann die Zwölf zu sich (abseits) und sagte zu ihnen: »Wir ziehen jetzt nach Jerusalem hinauf, und es wird alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten von dem Menschensohn geschrieben ist.
32Denn er wird den Heiden überliefert und verspottet, mißhandelt und angespien werden,
33und sie werden ihn geißeln und töten, und am dritten Tage wird er auferstehen.«
34Doch sie verstanden nichts hiervon, sondern dieser Ausspruch war ihnen dunkel, und sie begriffen nicht, was er mit diesem Wort hatte sagen wollen.

33. Heilung des Blinden bei Jericho

35Als er dann in die Nähe von Jericho kam, saß da ein Blinder am Wege und bettelte.
36Als dieser nun die vielen Leute vorüberziehen hörte, erkundigte er sich, was das zu bedeuten habe.
37Man teilte ihm mit, daß Jesus von Nazareth vorübergehe.
38Da rief er laut: »Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!«
39Die an der Spitze des Zuges Gehenden riefen ihm drohend zu, er solle still sein; doch er rief nur noch lauter: »Sohn Davids, erbarme dich meiner!«
40Da blieb Jesus stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er nun nahe herangekommen war, fragte Jesus ihn:
41»Was wünschest du von mir?« Er antwortete: »Herr, ich möchte sehen können.«
42Jesus erwiderte ihm: »Werde sehend! Dein Glaube hat dir Rettung verschafft.«
43Da konnte er augenblicklich sehen und schloß sich ihm an, indem er Gott pries; auch das gesamte Volk, das zugesehen hatte, gab Gott die Ehre durch Lobpreis.

34. Jesu Einkehr beim Oberzöllner Zachäus in Jericho

19
1Jesus kam dann nach Jericho hinein und zog durch die Stadt hindurch.
2Dort wohnte aber ein Mann namens Zachäus, der war ein Oberzöllner und ein reicher Mann.
3Er hätte Jesus gern von Person gesehen, konnte es aber wegen der Volksmenge nicht, weil er klein von Gestalt war.
4So eilte er denn auf dem Wege voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum hinauf, um ihn zu sehen; denn dort mußte er vorbeikommen.
5Als nun Jesus an die Stelle kam, blickte er in die Höhe und rief ihm zu: »Zachäus! Steige schnell herunter; denn ich muß heute in deinem Hause einkehren.«
6Da stieg er schnell herab und nahm ihn mit Freuden bei sich auf.
7Und alle, die es sahen, murrten laut und sagten: »Bei einem sündigen Manne ist er eingekehrt, um bei ihm zu herbergen.«
8Zachäus aber trat zum Herrn und sagte: »Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich jemand in etwas übervorteilt habe, will ich es ihm vierfach ersetzen!«
9Da sagte Jesus zu ihm: »Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, weil ja auch er ein Sohn Abrahams ist.
10Denn der Menschensohn ist gekommen, das Verlorene zu suchen und zu retten.«

35. Das Gleichnis von den anvertrauten Geldern (Minen oder Pfunden)

11Als sie dies hörten, fügte er noch ein Gleichnis hinzu, weil er sich in der Nähe von Jerusalem befand und weil sie meinten, das Reich Gottes würde jetzt sofort erscheinen.
12Er sagte also: »Ein Mann von vornehmer Abkunft reiste in ein fernes Land, um für sich dort die Königswürde zu gewinnen und dann wieder heimzukehren.
13Er berief nun zehn seiner Knechte, gab ihnen zehn Minen und sagte zu ihnen: ›Macht Geschäfte (mit dem Gelde) in der Zeit, während ich verreist bin!‹
14Seine Mitbürger aber haßten ihn und schickten eine Abordnung hinter ihm her, durch die sie erklären ließen: ›Wir wollen diesen Mann nicht als König über uns haben!‹
15Als er nun nach Empfang der Königswürde heimkehrte, ließ er jene Knechte, denen er das Geld gegeben hatte, zu sich rufen, um zu erfahren, was für Geschäfte ein jeder gemacht hätte.
16Da erschien der erste und sagte: ›Herr, dein Pfund hat zehn weitere Pfunde eingebracht.‹
17Der Herr antwortete ihm: ›Schön, du guter Knecht! Weil du im Kleinen treu gewesen bist, sollst du die Verwaltung von zehn Städten erhalten.‹
18Dann kam der zweite und sagte: ›Herr, dein Pfund hat fünf Pfunde hinzugewonnen.‹
19Er sagte auch zu diesem: ›Auch du sollst über fünf Städte gesetzt sein!‹
20Hierauf kam der dritte und sagte: ›Herr, hier ist dein Pfund, das ich in einem Schweißtuch wohlverwahrt gehalten habe;
21denn ich hatte Furcht vor dir, weil du ein strenger Mann bist: du hebst ab, was du nicht eingelegt hast, und erntest, was du nicht gesät hast.‹
22Da antwortete er ihm: ›Nach deiner eigenen Aussage will ich dir das Urteil sprechen, du nichtswürdiger Knecht! Du wußtest, daß ich ein strenger Mann bin, daß ich abhebe, was ich nicht eingelegt habe, und ernte, was ich nicht gesät habe?
23Warum hast du da mein Geld nicht auf eine Bank gebracht? Dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen abgehoben.‹
24Darauf befahl er den Dabeistehenden: ›Nehmt ihm das Pfund weg und gebt es dem, der die zehn Pfund hat.‹
25Sie erwiderten ihm: ›Herr, er hat ja schon zehn Pfunde.‹
26Ich sage euch: Jedem, der da hat, wird (noch dazu) gegeben werden; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen werden, was er hat.
27Doch jene meine Feinde, die mich nicht zum König über sich gewollt haben, führt hierher und macht sie vor meinen Augen nieder!«

V. Jesu Einzug in Jerusalem und letztes Wirken (19,28-21,38)

1. Jesus vor den Toren Jerusalems; sein Einzug in Jerusalem

28Nach diesen Worten zog Jesus weiter auf dem Wege nach Jerusalem hinauf.
29Als er nun in die Nähe von Bethphage und Bethanien am sogenannten Ölberge gekommen war, sandte er zwei von seinen Jüngern ab
30mit der Weisung: »Geht in das Dorf, das dort vor euch liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Eselfüllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat: bindet es los und führt es her!
31Und wenn euch jemand fragen sollte: ›Warum bindet ihr es los?‹, so antwortet ihm: ›Der Herr hat es nötig.‹«
32Als nun die Abgesandten hingegangen waren, fanden sie es so, wie er ihnen gesagt hatte;
33und als sie das Füllen losbanden, sagten dessen Eigentümer zu ihnen: »Wozu bindet ihr das Füllen los?«
34Sie antworteten: »Der Herr hat es nötig.«
35Sie führten es darauf zu Jesus, legten ihre Mäntel auf das Füllen und ließen Jesus sich daraufsetzen.
36Während er dann weiterzog, breiteten sie ihre Mäntel auf den Weg aus.
37Als er nunmehr an den Abstieg vom Ölberg herankam, begann die gesamte Menge der Jünger freudig Gott mit lauter Stimme um all der Wundertaten willen, die sie gesehen hatten, Lobpreis darzubringen,
38indem sie ausriefen: »Gepriesen sei, der da kommt als König im Namen des Herrn! Im Himmel ist Friede und Ehre in Himmelshöhen!«
39Da sagten einige Pharisäer aus der Volksmenge zu ihm: »Meister, untersage das deinen Jüngern
40Doch er gab zur Antwort: »Ich sage euch: Wenn diese schwiegen, würden die Steine schreien!«

Jesu Tränen über Jerusalem und Weissagung von Jerusalems Zerstörung

41Als er dann nähergekommen war und die Stadt erblickte, weinte er über sie
42und sagte: »Wenn doch auch du an diesem Tage erkennen möchtest, was zu deinem Frieden dient! Nun aber ist es deinen Augen verborgen geblieben.
43Denn es werden Tage über dich kommen, da werden deine Feinde einen Wall gegen dich aufführen, dich ringsum einschließen und dich von allen Seiten bedrängen;
44sie werden dich und deine Kinder in dir dem Erdboden gleichmachen und keinen Stein in dir auf dem andern lassen zur Strafe dafür, daß du die Zeit deiner (gnadenreichen) Heimsuchung nicht erkannt hast.«

2. Jesu Tempelreinigung; Mordplan der Führer des Volkes

45Als er sich darauf in den Tempel begeben hatte, machte er sich daran, die Verkäufer hinauszutreiben,
46indem er ihnen zurief: »Es steht geschrieben: ›Mein Haus soll ein Bethaus sein!‹ Ihr aber habt es zu einer ›Räuberhöhle‹ gemacht.«

47Er lehrte dann täglich im Tempel. Die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten samt den Obersten des Volkes trachteten ihm nach dem Leben,
48fanden jedoch keine Möglichkeit, ihre Absicht gegen ihn auszuführen; denn das gesamte Volk hing an ihm, sooft es ihn hörte.

3. Die Frage des Hohen Rates nach Jesu Vollmacht

20
1Eines Tages nun, als er das Volk im Tempel lehrte und die Heilsbotschaft verkündigte, traten die Hohenpriester und Schriftgelehrten samt den Ältesten an ihn heran
2und sagten zu ihm: »Sage uns, aufgrund welcher Vollmacht du hier in dieser Weise auftrittst oder wer es ist, der dir die Vollmacht dazu gegeben hat?«
3Da antwortete er ihnen: »Auch ich will euch eine Frage vorlegen; sagt mir:
4Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen?«
5Da überlegten sie bei sich folgendermaßen: »Sagen wir: ›Vom Himmel‹, so wird er fragen: ›Warum habt ihr ihm dann keinen Glauben geschenkt?‹
6Sagen wir dagegen: ›Von Menschen‹, so wird das ganze Volk uns steinigen; denn es ist überzeugt, daß Johannes ein Prophet (gewesen) ist.«
7So gaben sie ihm denn zur Antwort, sie wüßten nicht, woher sie stamme.
8Da sagte Jesus zu ihnen: »Dann sage auch ich euch nicht, aufgrund welcher Vollmacht ich hier so auftrete.«

4. Das Gleichnis von den treulosen Weingärtnern

9Er begann dann dem Volk folgendes Gleichnis vorzutragen: »Ein Mann legte einen Weinberg an, verpachtete ihn an Weingärtner und ging dann für längere Zeit ins Ausland.
10Als nun die Zeit da war, sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit sie ihm (seinen Teil) vom Ertrag des Weinbergs abgäben; aber die Weingärtner mißhandelten diesen und schickten ihn mit leeren Händen zurück.
11Da sandte er nochmals einen andern Knecht; sie aber mißhandelten und beschimpften auch diesen und schickten ihn mit leeren Händen zurück.
12Er sandte darauf noch einen dritten; sie aber schlugen auch diesen blutig und warfen ihn hinaus.
13Da sagte der Herr des Weinbergs: ›Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn hinsenden; vor diesem werden sie sich doch wohl scheuen.‹
14Als die Weingärtner ihn aber erblickten, überlegten sie miteinander und sagten: ›Dies ist der Erbe! Wir wollen ihn töten: dann fällt das Erbgut uns zu.‹
15So stießen sie ihn denn aus dem Weinberge hinaus und schlugen ihn tot. Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen machen?
16Er wird kommen und diese Weingärtner ums Leben bringen und den Weinberg an andere vergeben.« Als sie das hörten, sagten sie: »Nimmermehr!«
17Jesus aber blickte sie an und sagte: »Was bedeutet denn dieses Schriftwort: ›Der Stein, den die Bauleute (als unbrauchbar) verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden‹?
18Jeder, der an diesem Steine zu Fall kommt, wird zerschmettert werden; auf wen aber der Stein fällt, den wird er zermalmen.«
19Da suchten die Schriftgelehrten und Hohenpriester ihn noch in derselben Stunde festzunehmen, fürchteten sich jedoch vor dem Volk; sie hatten nämlich wohl gemerkt, daß er dieses Gleichnis gegen sie gerichtet hatte.

5. Die Steuerfrage der Pharisäer (oder das Gespräch vom Zinsgroschen)

20So lauerten sie ihm denn auf und sandten Aufpasser ab, die sich das Aussehen gesetzesstrenger Leute geben sollten, damit sie ihn durch einen seiner Aussprüche fingen und ihn dann der Obrigkeit und der Gewalt des Statthalters überliefern könnten.
21Die fragten ihn also: »Meister, wir wissen, daß du offen redest und lehrst und die Person nicht ansiehst, sondern den Weg Gottes mit Wahrhaftigkeit lehrst:
22ist es recht, daß wir dem Kaiser Steuern entrichten, oder nicht?«
23Da er nun ihre böse Absicht durchschaute, sagte er zu ihnen:
24»Zeigt mir einen Denar! Wessen Bild und Aufschrift trägt er?« Sie antworteten: »Des Kaisers.«
25Da sagte er zu ihnen: »Nun, so gebt dem Kaiser, was dem Kaiser zukommt, und Gott, was Gott zukommt.«
26Und sie vermochten ihn nicht bei einem Ausspruch vor dem Volk zu fangen und wußten, voll Verwunderung über seine Antwort, nichts mehr zu sagen.

6. Die Sadduzäerfrage (über die Auferstehung der Toten)

27Hierauf traten einige Sadduzäer herzu, die da behaupten, es gebe keine Auferstehung, und legten ihm eine Frage vor
28mit den Worten: »Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: ›Wenn jemandem sein Bruder stirbt, der eine Frau hat, jedoch kinderlos geblieben ist, so soll sein Bruder die Frau ehelichen und für seinen Bruder das Geschlecht fortpflanzen.‹
29Nun waren da sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos;
30der zweite heiratete sie darauf,
31dann der dritte und in derselben Weise alle sieben, hinterließen aber keine Kinder und starben;
32zuletzt starb auch die Frau.
33Wem von ihnen wird diese nun bei der Auferstehung als Frau angehören? Alle sieben haben sie ja zur Frau gehabt.«
34Da sagte Jesus zu ihnen: »Die Kinder der jetzigen Weltzeit heiraten und werden verheiratet;
35diejenigen aber, welche würdig befunden worden sind, an jener Weltzeit und an der Auferstehung der Toten teilzunehmen, die heiraten weder noch werden sie verheiratet;
36sie können dann ja auch nicht mehr sterben, denn sie sind den Engeln gleich und sind Söhne Gottes, weil sie Söhne der Auferstehung sind.
37Daß aber die Toten auferweckt werden, das hat auch Mose bei (der Erzählung von) dem Dornbusch erkennen lassen, indem er dort den Herrn ›den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs‹ nennt.
38Gott ist doch nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden, denn alle leben ihm
39Da antworteten mehrere Schriftgelehrte: »Meister, du hast trefflich gesprochen!«
40Sie wagten auch hinfort nicht mehr, ihm eine Frage vorzulegen.

7. Die Gegenfrage Jesu nach dem Messias als dem Sohne Davids

41Er sagte dann aber zu ihnen: »Wie kann man behaupten, Christus sei Davids Sohn?
42David selbst sagt ja doch im Psalmbuch: ›Der Herr hat zu meinem Herrn gesagt: Setze dich zu meiner Rechten,
43bis ich deine Feinde hinlege zum Schemel deiner Füße.‹
44David nennt ihn also ›Herr‹; wie kann er da sein Sohn sein?«

8. Jesu Warnung vor dem Ehrgeiz und der Habgier der Schriftgelehrten

45Zu seinen Jüngern aber sagte er, während das ganze Volk zuhörte:
46»Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die es lieben, in langen Gewändern einherzugehen, und sich auf den öffentlichen Plätzen gern begrüßen lassen; die auf die vordersten Sitze in den Synagogen und auf die obersten Plätze bei den Gastmählern Anspruch machen;
47die die Häuser der Witwen verschlingen und zum Schein lange Gebete verrichten; diese werden ein besonders strenges Gericht erfahren.«

9. Jesu Lob der zwei Scherflein der armen Witwe

21
1Als er dann aufblickte, sah er, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten einlegten.
2Da sah er auch eine arme Witwe dort zwei Scherflein hineintun
3und sagte: »Wahrlich ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als alle anderen eingelegt;
4denn jene haben alle aus ihrem Überfluß eine Gabe in den Gotteskasten getan, sie aber hat aus ihrer Dürftigkeit alles eingelegt, was sie zum Lebensunterhalt besaß.«

10. Jesu Rede (Ölbergrede) an die Apostel von der Zerstörung des Tempels und Jerusalems, vom Ende dieser Weltzeit und von seiner Erscheinung am jüngsten Tage

a) Einleitung: Anlaß der Rede

5Als einige dann vom Tempel sagten, er sei (ein Prachtbau) mit herrlichen Steinen und Weihgeschenken geschmückt, antwortete er:
6»Was ihr da anschaut – es werden Tage kommen, an denen kein Stein auf dem andern liegen bleibt, der nicht niedergerissen wird.«
7Da richteten sie die Frage an ihn: »Meister, wann wird dies denn geschehen, und welches ist das Anzeichen dafür, wann dies eintreten wird?«

b) Die ersten Vorzeichen des Endes

8Da antwortete er: »Seht zu, daß ihr nicht irregeführt werdet! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: ›Ich bin es‹, und ›Die Zeit ist nahe!‹ Lauft ihnen nicht nach!
9Wenn ihr ferner von Kriegen und Aufständen hört, so laßt euch dadurch nicht erschrecken! Denn das muß zuerst kommen, aber das Ende ist dann noch nicht sogleich da.«
10Hierauf fuhr er fort: »Ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere;
11auch gewaltige Erdbeben werden stattfinden und hier und da Hungersnöte und Seuchen; auch schreckhafte Erscheinungen und große Zeichen vom Himmel her werden erfolgen.«

c) Die Jüngerverfolgungen

12»Aber ehe alles dies geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen, indem man euch an die Synagogen und Gefängnisse überantwortet und euch vor Könige und Statthalter führt um meines Namens willen.
13Da wird euch dann Gelegenheit geboten werden, Zeugnis (für mich) abzulegen.
14So beherzigt denn (die Warnung) wohl, daß ihr euch nicht im voraus Sorge über die Art eurer Verteidigung machet;
15denn ich selbst werde euch Redegabe und Weisheit verleihen, der alle eure Widersacher nicht zu widerstehen noch zu widersprechen imstande sein sollen.
16Ihr werdet aber sogar von Eltern und Geschwistern, von Verwandten und Freunden überantwortet werden, ja man wird manche von euch töten,
17und ihr werdet allen um meines Namens willen verhaßt sein.
18Doch es soll kein Haar von eurem Haupte verlorengehen:
19durch standhaftes Ausharren werdet ihr euch das Leben gewinnen.«

d) Die Zerstörung Jerusalems und die Not des jüdischen Volkes

20»Wenn ihr aber Jerusalem von Kriegsheeren umlagert seht, dann erkennet daran, daß seine Zerstörung nahe bevorsteht.
21Dann sollen die (Gläubigen) in Judäa ins Gebirge fliehen und die Bewohner (der Hauptstadt) auswandern und die auf dem Lande Wohnenden nicht in die Stadt hineinziehen;
22denn dies sind die Tage der Vergeltung, damit alles in Erfüllung gehe, was in der Schrift steht.
23Wehe den Frauen, die in jenen Tagen guter Hoffnung sind, und den Müttern, die ein Kind zu nähren haben! Denn große Not wird im Lande herrschen und ein Zorngericht über dieses Volk ergehen;
24und sie werden durch die Schärfe des Schwertes fallen und in die Gefangenschaft unter alle Heidenvölker weggeführt werden, und Jerusalem wird von Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden abgelaufen sind.«

e) Die letzten Vorzeichen des Endes und die Erscheinung des Menschensohnes (am Jüngsten Tage)

25»Dann werden Zeichen an Sonne, Mond und Sternen in Erscheinung treten und auf der Erde wird Verzweiflung der Völker in ratloser Angst beim Brausen des Meeres und seines Wogenschwalls herrschen,
26indem Menschen den Geist aufgeben vor Furcht und in banger Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden; denn (sogar) die Kräfte des Himmels werden in Erschütterung geraten.
27Und hierauf wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit.
28Wenn dies nun zu geschehen beginnt, dann richtet euch auf und hebt eure Häupter empor; denn eure Erlösung naht.«

29Er sagte ihnen dann noch ein Gleichnis: »Seht den Feigenbaum und alle anderen Bäume an:
30sobald sie ausschlagen, erkennt ihr, wenn ihr es seht, von selbst, daß nunmehr der Sommer nahe ist.
31So sollt auch ihr, wenn ihr alles dieses eintreten seht, erkennen, daß das Reich Gottes nahe ist.
32Wahrlich ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles geschieht.
33Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nimmermehr vergehen!«

f) Schlußermahnung zur Nüchternheit und Wachsamkeit

34»Habt aber auf euch selbst acht, daß eure Herzen nicht etwa durch Schlemmerei und Trunkenheit und Sorgen des Lebens beschwert werden und jener Tag euch unvermutet überfalle wie eine Schlinge;
35denn hereinbrechen wird er über alle Bewohner der ganzen Erde.
36Seid also allezeit wachsam und betet darum, daß ihr die Kraft empfanget, diesem allem, was da kommen soll, zu entrinnen und vor den Menschensohn hinzutreten!«

11. Abschluß des Berichts von dem Aufenthalt und dem öffentlichen Wirken Jesu in Jerusalem

37Tagsüber war Jesus im Tempel, wo er lehrte; an jedem Abend aber ging er (aus der Stadt) hinaus und übernachtete am sogenannten Ölberg;
38und das ganze Volk kam schon frühmorgens zu ihm, um ihm im Tempel zuzuhören.

VI. Jesu Leidensgeschichte und die Auferstehungsberichte (Kap. 22-24)

1. Mordanschlag der Führer des Volks

22
1So kam denn das Fest der ungesäuerten Brote, das sogenannte Passah, heran;
2und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten Mittel und Wege, wie sie ihn beseitigen könnten; denn sie fürchteten sich vor dem Volke.

2. Verrat des Judas

3Da fuhr der Satan in Judas, der den Beinamen Iskariot führte und zur Zahl der Zwölf gehörte:
4er ging hin und verabredete mit den Hohenpriestern und den Hauptleuten der Tempelwache, wie er ihnen Jesus in die Hände liefern wollte.
5Darüber freuten sie sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld zu geben;
6er war einverstanden und suchte nun nach einer guten Gelegenheit, um ihnen Jesus hinter dem Rücken des Volkes in die Hände zu liefern.

3. Vorbereitung des Ostermahles

7Als dann der Tag der ungesäuerten Brote gekommen war, an dem man das Passahlamm schlachten mußte,
8sandte er Petrus und Johannes ab mit der Weisung: »Geht hin und richtet uns das Passahmahl zu, damit wir es essen können!«
9Auf ihre Frage: »Wo sollen wir es zurichten?«
10antwortete er ihnen: »Gebt acht: sobald ihr in die Stadt hineinkommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Krug mit Wasser trägt; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht,
11und sagt dem Eigentümer des Hauses: ›Der Meister läßt dich fragen: Wo ist der Speisesaal, in welchem ich das Passahlamm mit meinen Jüngern essen kann?‹
12Dann wird er euch ein geräumiges, mit Tischpolstern ausgestattetes Obergemach zeigen: dort richtet das Mahl zu!«
13Sie gingen hin und fanden es so, wie er ihnen gesagt hatte, und richteten das Passahmahl zu.

4. Jesu letztes Mahl im Jüngerkreise; Einsetzung des heiligen Abendmahls

14Als dann die Stunde gekommen war, setzte er sich zu Tisch und die Apostel mit ihm.
15Da sagte er zu ihnen: »Herzlich habe ich mich danach gesehnt, dieses Passahmahl vor meinem Leiden noch mit euch zu essen;
16denn ich sage euch: ich werde es nicht mehr essen, bis es im Reiche Gottes seine Vollendung findet.«
17Dann nahm er einen Becher, sprach das Dankgebet und sagte: »Nehmt diesen (Becher) und teilt ihn unter euch!
18Denn ich sage euch: Ich werde von nun an von dem Erzeugnis des Weinstocks nicht mehr trinken, bis das Reich Gottes kommt.«
19Dann nahm er Brot, sprach den Lobpreis (Gottes), brach das Brot und gab es ihnen mit den Worten: »Dies ist mein Leib [der für euch dahingegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis!«
20Ebenso tat er mit dem Becher nach dem Mahl und sagte: »Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird].
21Doch wisset wohl: Die Hand meines Verräters ist mit mir zusammen auf dem Tische.
22Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es bestimmt ist; doch wehe dem Menschen, durch den er verraten wird!«
23Da fingen sie an, sich untereinander zu besprechen, wer von ihnen es wohl sein möchte, der dies tun würde.

5. Worte des Abschieds an die Jünger

a) Jesus tadelt den Ehrgeiz der Jünger, erkennt aber ihr treues Ausharren bei ihm lohnverheißend an

24Da entstand auch noch ein Streit unter ihnen darüber, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe.
25Er aber sagte zu ihnen: »Die Könige der Völker herrschen gewaltsam über sie, und ihre Machthaber lassen sich ›Wohltäter‹ nennen.
26Bei euch aber darf es nicht so sein, sondern der Größte unter euch muß wie der Jüngste sein und wer obenan sitzt, wie der Aufwartende.
27Denn wer ist der Größere: der zu Tische sitzt oder der dabei bedient? Doch wohl der zu Tische Sitzende. Ich aber bin in eurer Mitte wie der Aufwartende.
28Ihr aber seid es, die in meinen Anfechtungen bei mir ausgeharrt haben.
29So vermache ich euch denn die Königswürde, wie mein Vater sie mir vermacht hat:
30ihr sollt (dereinst) in meinem Reiche an meinem Tische essen und trinken und sollt auf Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten

b) Warnung an den selbstbewußten Petrus und Weissagung seiner Verleugnung

31»Simon, Simon! Wisse wohl: der Satan hat sich (von Gott) ausgebeten, Gewalt über euch zu erhalten, um euch zu sichten, wie man Weizen siebt;
32ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht ausgehe; und du, wenn du dich einst bekehrt hast, stärke deine Brüder!«
33Da antwortete ihm Petrus: »Herr, ich bin bereit, mit dir sowohl ins Gefängnis als auch in den Tod zu gehen!«
34Jesus aber entgegnete: »Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen!«

c) Hinweis auf die von den Jüngern bisher in Sicherheit durchlebte Zeit und auf die ernste und schwere Zukunft

35Dann fuhr er fort: »Als ich euch ohne Geldbeutel, ohne Ranzen und Schuhe aussandte, habt ihr da Mangel an irgend etwas gelitten?« Sie antworteten: »Nein, an nichts!«
36Er fuhr fort: »Jetzt aber – wer einen Beutel (mit Geld) hat, der nehme ihn mit sich, ebenso auch einen Ranzen, und wer nichts (derartiges) hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe sich ein Schwert!
37Denn ich sage euch: Folgendes Schriftwort muß sich an mir erfüllen: ›Er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden‹; denn in der Tat: das mir bestimmte Geschick kommt jetzt zum Abschluß.«
38Da sagten sie: »Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter!« Er antwortete ihnen: »Das genügt.«

6. Jesu Seelenkampf und Gebet am Ölberg

39Er ging dann (aus der Stadt) hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg; es begleiteten ihn auch seine Jünger.
40Als er an Ort und Stelle angelangt war, sagte er zu ihnen: »Betet darum, daß ihr nicht in Versuchung geratet!«
41Darauf entfernte er sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen, kniete nieder und betete
42mit den Worten: »Vater, wenn du willst, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!«
43Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.
44Und als er in angstvollen Seelenkampf geraten war, betete er noch inbrünstiger; und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die zur Erde niederfielen.
45Nach dem Gebet stand er auf, und als er zu seinen Jüngern kam, fand er sie vor Traurigkeit eingeschlafen
46und sagte zu ihnen: »Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!«

7. Gefangennahme Jesu

47Während er noch (zu ihnen) redete, erschien plötzlich eine Volksschar, und der mit dem Namen Judas, einer von den Zwölfen, ging an ihrer Spitze und trat auf Jesus zu, um ihn zu küssen.
48Jesus aber sagte zu ihm: »Judas, mit einem Kuß verrätst du den Menschensohn?«
49Als nun die Begleiter Jesu sahen, was da kommen würde, sagten sie: »Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?«,
50und einer von ihnen schlug (wirklich) nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab.
51Jesus aber antwortete: »Laßt ab! Bis hierher und nicht weiter!« Dann rührte er das Ohr an und heilte ihn.
52Zu den Hohenpriestern aber und den Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten, die gegen ihn hergekommen waren, sagte Jesus: »Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knütteln ausgezogen.
53Während ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis!«

8. Verleugnung und Reue des Petrus

54Als sie ihn dann festgenommen hatten, führten sie ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters; Petrus aber folgte von weitem.
55Als sie dann mitten im Hof ein Feuer angezündet und sich zusammengesetzt hatten, nahm auch Petrus mitten unter ihnen Platz.
56Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen; sie blickte ihn scharf an und sagte: »Dieser ist auch bei ihm gewesen.«
57Petrus aber leugnete mit den Worten: »Weib, ich kenne ihn nicht!«
58Nach einer kleinen Weile bemerkte ihn ein anderer und sagte: »Du gehörst auch zu ihnen!« Petrus aber entgegnete: »Mensch, ich nicht!«
59Nach Verlauf von etwa einer Stunde versicherte ein anderer bestimmt: »Wahrhaftig, dieser ist auch mit ihm zusammen gewesen, er ist ja auch ein Galiläer!«
60Da entgegnete Petrus: »Mensch, ich verstehe nicht, was du sagst!«; und unmittelbar darauf, während er noch redete, krähte der Hahn.
61Da wandte der Herr sich um und blickte Petrus an; und Petrus dachte an das Wort des Herrn, wie er zu ihm gesagt hatte: »Ehe noch der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.«
62Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

9. Verspottung und Mißhandlung Jesu; Verhör vor dem Hohen Rat

63Die Männer aber, die Jesus zu bewachen hatten, trieben ihren Spott mit ihm und schlugen ihn;
64sie verhüllten ihm das Gesicht und richteten dann die Frage an ihn: »Weissage uns: Wer ist’s, der dich (eben) geschlagen hat?«
65Auch noch viele andere Schmähungen stießen sie gegen ihn aus.

66Als es dann Tag geworden war, versammelte sich der Rat der Ältesten des Volkes, Hohepriester und Schriftgelehrte; sie ließen ihn in ihre Versammlung führen
67und sagten: »Wenn du Christus bist, so sage es uns!« Doch er erwiderte ihnen: »Wenn ich es euch sage, werdet ihr es mir doch nicht glauben,
68und wenn ich Fragen an euch richte, werdet ihr mir keine Antwort geben.
69Aber von nun an wird der Menschensohn zur Rechten der Macht Gottes sitzen!«
70Da sagten sie alle: »So bist du also der Sohn Gottes?« Er antwortete ihnen: »Ja, ihr selbst sagt es: ich bin’s.«
71Da erklärten sie: »Wozu haben wir noch weitere Zeugenaussagen nötig? Wir haben es ja selbst aus seinem Munde gehört!«

10. Jesus vor Pilatus und Herodes; seine Verurteilung durch Pilatus

a) Die Anklage der Juden und das Verhör Jesu vor Pilatus

23
1Nun erhob sich ihre ganze Versammlung, und sie führten ihn dem Pilatus vor.
2Dort erhoben sie folgende Anklagen gegen ihn: »Wir haben festgestellt, daß dieser Mensch unser Volk aufwiegelt und es davon abhalten will, dem Kaiser Steuern zu entrichten, und daß er behauptet, er sei Christus, ein König.«
3Pilatus fragte ihn nun: »Bist du der König der Juden?«, und Jesus antwortete ihm: »Ja, ich bin es!«
4Da sagte Pilatus zu den Hohenpriestern und der Volksmenge: »Ich finde keine Schuld an diesem Manne.«
5Sie aber versicherten immer heftiger: »Er wiegelt das Volk auf, indem er seine Lehre im ganzen jüdischen Lande verbreitet: in Galiläa hat er damit begonnen und bis hierher es fortgesetzt!«
6Als Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mann ein Galiläer wäre;
7und als er vernahm, daß er aus dem Machtbereich des Herodes sei, sandte er ihn dem Herodes zu, der in diesen Tagen ebenfalls in Jerusalem weilte.

b) Jesus vor Herodes

8Herodes aber war sehr erfreut darüber, Jesus zu sehen; denn er hätte ihn längst gern gesehen, weil er viel über ihn gehört hatte; er hoffte auch, ein Wunderzeichen von ihm vollführt zu sehen.
9So richtete er denn mancherlei Fragen an ihn, doch Jesus gab ihm keinerlei Antwort;
10die Hohenpriester und Schriftgelehrten aber standen dabei und verklagten ihn leidenschaftlich.
11Da behandelte ihn denn Herodes samt den Herren seines Gefolges mit Verachtung und Hohn und sandte ihn, nachdem er ihm ein Prachtgewand hatte anlegen lassen, zu Pilatus zurück.
12An diesem Tage wurden Herodes und Pilatus miteinander befreundet, während sie vordem in Feindschaft gegeneinander gestanden hatten.

c) Jesus wieder vor Pilatus

13Pilatus ließ nun die Hohenpriester und die Mitglieder des Hohen Rates und das Volk zusammenrufen
14und sagte zu ihnen: »Ihr habt mir diesen Mann als einen Volksverführer vorgeführt. Nun, ihr seht, ich habe ihn in eurem Beisein verhört, habe aber an ihm durchaus nicht die Schuld gefunden, deren ihr ihn anklagt.
15Ebensowenig auch Herodes, denn er hat ihn an uns zurückverwiesen. Ihr seht also: nichts, was die Todesstrafe verdient, ist von ihm begangen worden.
16Darum will ich ihn geißeln lassen und dann freigeben.«

Jesus und Barabbas; die Verurteilung

17[Er war aber verpflichtet, ihnen an jedem Fest einen (Gefangenen) freizugeben.]
18Da schrien sie aber allesamt: »Hinweg mit diesem! Gib uns dagegen Barabbas frei!« –
19dieser saß nämlich wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt vorgekommen war, und wegen Mordes im Gefängnis.
20Da redete Pilatus zum zweitenmal auf sie ein, weil er Jesus gern freigeben wollte;
21sie aber riefen ihm dagegen zu: »Kreuzige, kreuzige ihn!«
22Zum drittenmal fragte er sie dann: »Was hat denn dieser Mann Böses getan? Ich habe keine todeswürdige Schuld an ihm gefunden! Ich will ihn also geißeln lassen und dann freigeben.«
23Sie aber bestürmten ihn mit lautem Geschrei und verlangten seine Kreuzigung; und ihr Geschrei drang durch.
24So fällte denn Pilatus das Urteil, ihr Verlangen solle erfüllt werden.
25Er gab also den Mann frei, der wegen Aufruhrs und Mordes ins Gefängnis geworfen worden war, wie sie es verlangten; Jesus dagegen gab er ihrem Willen preis.

11. Jesu Todesweg nach Golgatha und seine Worte an die klagenden Frauen von Jerusalem; seine Kreuzigung und sein Tod

26Als sie ihn dann (zur Richtstätte) abführten, griffen sie einen gewissen Simon aus Cyrene auf, der vom Felde heimkam, und bürdeten ihm das Kreuz auf, damit er es Jesu nachtrüge.
27Es folgte ihm aber eine große Volksmenge, auch viele Frauen, die um ihn wehklagten und weinten.
28Da wandte Jesus sich zu ihnen um und sagte: »Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, weint vielmehr über euch selbst und über eure Kinder!
29Denn wisset wohl: es kommen Tage, an denen man sagen wird: ›Glücklich zu preisen sind die Unfruchtbaren und die Frauen, die nicht Mutter geworden sind und die kein Kind an der Brust genährt haben!‹
30Dann wird man anfangen, den Bergen zuzurufen: ›Fallet auf uns!‹ und den Hügeln: ›Bedecket uns!‹
31Denn wenn man dies am grünen Holze tut, was wird da erst am dürren geschehen?«
32Es wurden aber außerdem noch zwei Verbrecher mit ihm zur Hinrichtung abgeführt.

33Als sie nun an den Platz gekommen waren, der ›Schädel(stätte)‹ heißt, kreuzigten sie dort ihn und die beiden Verbrecher, den einen zu seiner Rechten, den anderen zu seiner Linken.
34Jesus aber sprach: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« Darauf verteilten sie seine Kleidungsstücke unter sich, indem sie das Los darüber warfen;
35und das Volk stand dabei und sah zu. Es verhöhnten (ihn) aber auch die Mitglieder des Hohen Rates mit den Worten: »Anderen hat er geholfen; so helfe er nun sich selbst, wenn er wirklich Christus, der Gesalbte Gottes, ist, der Auserwählte!«
36Auch die Soldaten verspotteten ihn: sie traten hinzu, reichten ihm Essig
37und sagten: »Bist du der König der Juden, so hilf dir selbst!«
38Über ihm war aber auch eine Inschrift angebracht [in griechischer, lateinischer und hebräischer Schrift]: »Dies ist der König der Juden.«

Jesus und die beiden Schächer

39Einer aber von den Verbrechern, die da gehenkt waren, schmähte ihn mit den Worten: »Du willst Christus sein? So hilf dir doch selbst und uns!«
40Da antwortete ihm der andere mit lautem Vorwurf: »Hast du denn nicht einmal Furcht vor Gott, da dich doch derselbe Urteilsspruch getroffen hat?
41Und zwar uns beide mit Recht, denn wir empfangen den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan!«
42Dann fuhr er fort: »Jesus, denke an mich, wenn du in deine Königsherrschaft kommst!«
43Da sagte Jesus zu ihm: »Wahrlich ich sage dir: Heute (noch) wirst du mit mir im Paradiese sein!«

Jesu Sterben; die Wunderzeichen bei seinem Tode

44Es war nunmehr um die sechste Stunde: da kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde,
45indem die Sonne ihren Schein verlor; und der Vorhang im Tempel riß mitten entzwei.
46Da rief Jesus mit lauter Stimme die Worte aus: »Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!«, und nach diesen Worten verschied er.
47Als nun der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sagte: »Dieser Mann ist wirklich ein Gerechter gewesen!«
48Und die ganze Volksmenge, die zu diesem Schauspiel zusammengekommen war und alles sah, was sich zugetragen hatte, schlug sich an die Brust und kehrte heim.
49Alle seine Bekannten aber standen von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren und dies alles mit ansahen.

12. Die Grablegung Jesu

50Und siehe, ein Mann namens Joseph, der ein Mitglied des Hohen Rates war, ein guter und gerechter Mann –
51er war mit ihrem Beschluß und ihrer Handlungsweise nicht einverstanden gewesen – aus der jüdischen Stadt Arimathäa, der auf das Reich Gottes wartete:
52dieser ging zu Pilatus und bat ihn um den Leichnam Jesu.
53Dann nahm er ihn (vom Kreuz) herab, wickelte ihn in feine Leinwand und legte ihn in ein Grab, das in den Felsen gehauen und in welchem bisher noch niemand beigesetzt worden war.
54Es war aber der Rüsttag, und der Sabbat wollte anbrechen.
55Die Frauen aber, die ihn aus Galiläa begleitet hatten, waren mitgegangen und hatten sich das Grab und die Beisetzung seines Leichnams angesehen.
56Nachdem sie hierauf (in die Stadt) zurückgekehrt waren, besorgten sie wohlriechende Stoffe und Salben und brachten dann den Sabbat nach der Vorschrift des Gesetzes in der Stille zu.

13. Entdeckung des leeren Grabes am Ostermorgen; die Offenbarung an die Frauen

24
1Am ersten Tage nach dem Sabbat aber kamen sie beim Morgengrauen zum Grabe mit den wohlriechenden Stoffen, die sie zubereitet hatten.
2Da fanden sie den Stein vom Grabe weggewälzt,
3doch als sie hineingetreten waren, fanden sie den Leichnam des Herrn Jesus nicht.
4Während sie nun hierüber ratlos waren, standen plötzlich zwei Männer in strahlenden Gewändern bei ihnen;
5und als sie in Furcht gerieten und den Blick zu Boden schlugen, sagten diese zu ihnen: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
6Er ist nicht (mehr) hier, sondern ist auferweckt worden. Denkt daran, wie er zu euch geredet hat, als er noch in Galiläa war,
7und aussagte, der Menschensohn müsse in die Hände sündiger Menschen ausgeliefert und ans Kreuz geschlagen werden und am dritten Tage auferstehen.«
8Da erinnerten sie sich seiner Worte,
9kehrten vom Grabe zurück und berichteten dies alles den elf (Jüngern) und allen übrigen.
10Es waren dies aber Maria von Magdala und Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die anderen Frauen mit ihnen, die den Aposteln dies berichteten;
11doch diese Mitteilungen erschienen ihnen als leeres Gerede, und sie schenkten ihnen keinen Glauben.
12Petrus aber machte sich auf und eilte zum Grabe, und als er sich hineinbückte, sah er nur die Leintücher daliegen; so kehrte er denn nach Hause zurück, voll Verwunderung über das Geschehene.

14. Die Emmausjünger

13Und siehe, zwei von ihnen waren an demselben Tage auf der Wanderung nach einem Dorf begriffen, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt lag und Emmaus hieß.
14Sie unterhielten sich miteinander über alle diese Begebenheiten.
15Während sie sich nun so unterhielten und sich gegeneinander aussprachen, kam Jesus selbst hinzu und schloß sich ihnen auf der Wanderung an;
16ihre Augen jedoch wurden gehalten, so daß sie ihn nicht erkannten.
17Er fragte sie nun: »Was sind das für Gespräche, die ihr da auf eurer Wanderung miteinander führt?« Da blieben sie betrübten Angesichts stehen.
18Der eine aber von ihnen, namens Kleopas, erwiderte ihm: »Du bist wohl der einzige, der sich in Jerusalem aufhält und nichts von dem erfahren hat, was in diesen Tagen dort geschehen ist?«
19Er fragte sie: »Was denn?« Sie antworteten ihm: »Das, was mit Jesus von Nazareth geschehen ist, der ein Prophet war, gewaltig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk.
20Ihn haben unsere Hohenpriester und der Hohe Rat zur Todesstrafe ausgeliefert und ans Kreuz gebracht.
21Wir aber hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen würde; aber nun ist bei dem allem heute schon der dritte Tag, seit dies geschehen ist.
22Dazu haben uns aber auch noch einige Frauen, die zu uns gehören, in Bestürzung versetzt: sie sind heute in der Frühe am Grabe gewesen
23und haben, als sie seinen Leichnam nicht gefunden hatten, nach ihrer Rückkehr erzählt, sie hätten auch noch eine Erscheinung von Engeln gesehen, und diese hätten gesagt, daß er lebe.
24Da sind denn einige der Unseren zum Grabe hingegangen und haben es so gefunden, wie die Frauen berichtet hatten, ihn selbst aber haben sie nicht gesehen.«
25Da sagte er zu ihnen: »O ihr Gedankenlosen, wie ist doch euer Herz so träge, um an alles das zu glauben, was die Propheten verkündigt haben!
26Mußte denn Christus dies nicht leiden und dann in seine Herrlichkeit eingehen?«
27Darauf fing er bei Mose und allen Propheten an und legte ihnen alle Schriftstellen aus, die sich auf ihn bezogen.

28So kamen sie in die Nähe des Dorfes, wohin die Wanderung ging, und er tat so, als wollte er weiterwandern.
29Da nötigten sie ihn mit den Worten: »Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich schon geneigt!« So trat er denn ein, um bei ihnen zu bleiben.
30Als er sich hierauf mit ihnen zu Tisch gesetzt hatte, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis (Gottes), brach das Brot und gab es ihnen:
31da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; doch er entschwand ihren Blicken.
32Da sagten sie zueinander: »Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriftstellen erschloß?«
33Und sie machten sich noch in derselben Stunde auf, kehrten nach Jerusalem zurück und fanden dort die Elf nebst ihren Genossen versammelt;
34diese teilten ihnen mit: »Der Herr ist wirklich auferweckt worden und ist dem Simon erschienen!«
35Da erzählten auch sie, was sich unterwegs zugetragen hatte und wie er von ihnen am Brechen des Brotes erkannt worden war.

15. Erscheinung Jesu im Jüngerkreise am Ostersonntagabend; sein Missionsbefehl und Abschied von den Jüngern

36Während sie hierüber noch sprachen, trat Jesus selbst mitten unter sie mit den Worten: »Friede sei mit euch!«
37Da gerieten sie in Angst und Furcht und meinten, einen Geist zu sehen.
38Doch er sagte zu ihnen: »Was seid ihr so bestürzt, und warum steigen Zweifel in euren Herzen auf?
39Seht meine Hände und meine Füße an, daß ich es leibhaftig bin! Betastet mich und beschaut mich; ein Geist hat ja doch kein Fleisch und keine Knochen, wie ihr solche an mir wahrnehmt.«
40Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
41Als sie aber vor Freude immer noch ungläubig und voll Verwunderung waren, fragte er sie:
42»Habt ihr hier nicht etwas zu essen?« Da reichten sie ihm ein Stück von einem gebratenen Fisch;
43das nahm er und aß es vor ihren Augen.

44Dann sagte er zu ihnen: »Dies besagen meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: es müsse alles in Erfüllung gehen, was im mosaischen Gesetz, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht.«
45Hierauf erschloß er ihnen den Sinn für das Verständnis der Schriften
46und sagte zu ihnen: »So steht geschrieben: Christus muß leiden und am dritten Tage von den Toten auferstehen,
47und auf Grund seines Namens muß Buße zur Vergebung der Sünden bei allen Völkern gepredigt werden, zuerst aber in Jerusalem.
48Ihr seid die Zeugen hierfür.
49Und wisset wohl: Ich sende das Verheißungsgut meines Vaters auf euch herab; ihr aber bleibt hier in der Stadt, bis ihr mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet worden seid!«

Jesu Himmelfahrt

50Hierauf führte er sie (aus der Stadt) hinaus bis in die Nähe von Bethanien, erhob dann seine Hände und segnete sie;
51und es begab sich: während er sie segnete, schied er von ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben.

16. Schluß des Evangeliums

52Und sie warfen sich anbetend vor ihm nieder und kehrten hocherfreut nach Jerusalem zurück
53und hielten sich beständig im Tempel auf und priesen Gott.